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Kontroversen der ästhetischen Medizin: 6. Skin Tightening Methoden – Das Märchen des Kollagenschrumpfens

CONTROVERSIES IN AESTHETIC MEDICINE: 6. SKIN TIGHTENING METHODS – THE MYTH OF COLLAGEN SHRINKAGE

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Schlüsselworte

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Summary

Although skin tightening (ST) treatments based on a heat application to the skin are very widespread in aesthetic medicine, their theoretical basis is not really clear. Contribution of so called collagen shrinkage phenomenon to ST processes must be considered as very doubtful. Required temperatures and treatment times, potential cell death in a treated region by temperatures over 45°C, strong dependency of this effect on different controllable and uncontrollable parameters as well as the phenomenon of stiffness loss after collagen shrinkage speak distinctly against significant contribution of this phenomenon to clinical results which can be often observed after ST treatments.

Zusammenfassung

Obwohl wärmebasierende Behandlungsmethoden zur Hautfestigung eine immer größere Anwendung in der ästhetischen Medizin finden, bleibt ihre theoretische Grundlage nicht ganz klar. Beteiligung des Kollagenschrumpfen- Phänomens an der Hautfestigung muss als sehr zweifelhaft eingestuft werden. Notwendige Temperaturen und Einwirkzeiten, potentieller massiver Zelltod im Behandlungsgebiet bei Temperaturen über 45°C, starke Abhängigkeit dieses Phänomens von verschiedenen kontrollierbaren und nicht kontrollierbaren Parametern, sowie das Phänomen des Steifigkeitsverlustes des Gewebes nach dem Kollagenschrumpfen sprechen alle gegen eine signifikante Beteiligung dieses Phänomens an klinischen Ergebnissen, die oft nach solchen Behandlungen beobachtet werden.


EINLEITUNG

Nicht invasive und minimal invasive apparative Behandlungsmethoden finden immer größere Akzeptanz in der ästhetischen Medizin. Einige Gruppen von diesen Methoden, besonders solche die zur Hautfestigung eingesetzt werden, haben als erklärtes Ziel ihrer Intervention eine signifikante und langfristige Modifizierung des Kollagennetzwerkes im behandelten Gewebe.

Solche Modifizierung kann u.a. durch Konformationsänderungen in Kollagenstrukturen erzielt werden, die durch eine lokale Wärmefreisetzung im Zielgewebe hervorgerufen werden können. Eine von solchen Konformationsänderungen ist das sog. Kollagenschrumpfen, welches praktisch alle Laser- und Radiofrequenz (RF)-Behandlungsmethoden auf diesem Gebiet für sich als theoretische Grundlage ihrer Wirkung beanspruchen. Obwohl Kollagenmoleküle ihre Konformationen durch Erwärmung tatsächlich ändern und dabei selbst auch signifikant schrumpfen können, was in mehreren in vitro und in vivo Experimenten demonstriert wurde, ist die tatsächliche Beteiligung von diesem Phänomen an erzielten klinischen Ergebnissen nach Anwendung von verschiedenen Hautfestigungsmethoden nicht klar.

Vernetztes (reifes) Kollagen ist ein wichtiger Bestandteil des Bindegewebes und sein Gehalt bestimmt im Wesentlichen die mechanischen Eigenschaften, sowie die Stabilität dieses Gewebes. Kollagengehalt im Gewebe ist stark vom Kollagen-turnover abhängig, welcher auf verschiedenen Ebenen verläuft: von mRNS-Aktivierung, über Prokollagen-Produktion bis auf Produktion von reifem Kollagennetzwerk. Wobei die ersten Stufen von diesem Prozess sehr labil sind und sensibel auf verschiedene physikalische Faktoren reagieren können [1, 2], sind freie Prokollagen-Proteine instabil. Ihre intramolekularen Verbindungen sind schwach und können enzymatisch sowie physikalisch einfach zerlegt werden. Diese Proteine allein spielen keine große Rolle in mechanischen Eigenschaften des Bindegewebes, weil nur die durch Fibrillogenese entstehenden Kollagenfasern mechanisch rigide und enzymatisch resistente Strukturen bilden, welche auch Glukosaminoglykane anbinden und somit die Wasseransammlung im Gewebe effektiv steuern können.

Es ist allgemein akzeptiert, dass mit zunehmendem Alter der Kollagengehalt im Bindegewebe kontinuierlich zurückgeht, was dramatische Folgen für die mechanischen Eigenschaften des betroffenen Bindegewebes haben kann. Reduzierung des Kollagengehaltes, sowie der Aufbau eines deformierten Kollagennetzwerkes führt zur Entstehung einer grobmaschigen und imperfekten Struktur mit entsprechender Minderung ihrer Rigidität. Eine künstliche Verdichtung und Versteifung von diesem Netzwerk sollte theoretisch zu allgemeiner Hautfestigung und entsprechender Hautbildverbesserung führen.

Es gibt grundsätzlich drei Möglichkeiten, diese Veränderungen zu erzielen, die auf verschiedenen Zeitskalen (lang-, mittel- oder kurzfristig) realisiert werden können.

1. Verschiebung des Gleichgewichtes zwischen dem Aufbau und Abbau des Bindegewebes.

Diese Strategie kann langfristig zu einem stabilen Umbau des Kollagennetzwerkes im Gewebe führen. Eine Verschiebung Richtung Abbau entwickelt sich über längere Zeit durch verschiedene Erkrankungen, Sonneneinstrahlung sowie durch Alterungsprozesse. Eine Gegenentwicklung kann hier durch eine gezielte Stimulation von Fibroblasten bei gleichzeitiger Suppression der Matrix Metalloproteinasen (MMPs), die für den Kollagenabbau hauptsächlich zuständig sind, erreicht werden.

Es muss allerdings beachtet werden, dass Turnover von reifem Kollagennetzwerk in der Haut unter quasi-physiologischen Bedingungen äußerst langsam verläuft und die Halbwertzeit von ca. 15 Jahren hat [3], so dass solch eine Entwicklung nur über lange Zeit möglich sein kann [1].

2. Aufsetzen von lokalen Verletzungen im Bindegewebe, die zu Narbenbildungen und entsprechender Veränderung der Hautspannung führen können.

Solche Veränderungen sind typisch bei minimal invasiven Anwendungen wie Laser- oder RF-Frexel. Hautfestigungseffekte sollten dabei mittelfristig nach der Behandlung auftreten und mit Narbenbildungen im Bindegewebe zeitlich korrelieren.

3. Intramolekulare oder untermolekulare Verbindungen im Kollagen zu modifizieren und somit die Kollagennetzwerk-Strukturen auf dem Niveau von einzelnen Kollagen-Molekülen bzw. von Kollagenfibrillen und/oder von Kollagenfasern zu beeinflussen.

Das bekannteste Beispiel solcher Modifikation ist eine reversible oder irreversible Kollagendenaturierung durch Wärme, die therapeutisch z.B. zur Behandlung von lockerem Bindegewebe bei instabilen Gelenkkapseln mittels thermischer Kapsuloraphie sowie in der Thermokeratoplastie und zur Hautfestigung (sog. Skin Tightening, ST) in der ästhetischen Medizin eingesetzt wird. Bei einer massiven Kollagendenaturation sollte schon während der Behandlung eine Festigung des Bindegewebes theoretisch direkt oder kurzfristig nach der Behandlung auftreten.

Die wichtigsten Methoden zur Hautfestigung in der Ästhetikbasieren auf einer lokalen Temperatursteigerung, wobei folgende Arten der Erwärmung in diesem Zusammenhang unterschieden werden müssen: hydrothermale, laser-, ultraschall- und radiofrequenz- assoziierte. Obwohl diesen Methoden verschiedene physikalische Mechanismen der Energieübertragung zugrunde liegen und sie verschiedene Energieverteilungsmuster im Gewebe produzieren, basieren sie alle letztendlich auf einer thermischen Wirkung in einem vordefinierten Zielgebiet.

Fast alle wärmeerzeugenden ästhetischen Behandlungsmethoden deklarieren Kollagenschrumpfen als wichtigsten Mechanismus ihrer Wirkung. Das sollte nicht nur eine solide theoretische Basis für solche Methoden verschaffen, sondern auch eine schnelle und relativ langfristige Wirkung begründen. Diese Grundlage wird von relativ gut untersuchten invasiven oder minimal invasiven Methoden (z.B. von der Kapsuloraphie) übernommen, ohne dabei die Unterschiede in den Energieverteilungsmustern sowie in den Einwirkzeiten kritisch zu analysieren.

Dabei wird auch oft ignoriert, dass Kollagenschrumpfen von mehreren und in der Regel schlecht kontrollierbaren Parametern abhängig ist und bei supra-physiologischen Temperaturen in vivo tatsächlich nur sehr begrenzt realisiert werden kann. So benutzen die meisten RF-Behandlungsmethoden lokale Einwirkzeiten weniger als zehn Sekunden und in vielen Fällen liegen sie sogar im Millisekunden-Bereich, wobei die meisten Experimente in vitro und klinische Untersuchungen zu Kapsuloraphie bei Temperaturen von 60–70°C die Wirkungen erst im Bereich von Minuten zeigen. Darüber hinaus wird praktisch ignoriert, dass denaturierte Kollagenmoleküle nicht lange im Gewebe bleiben dürfen und durch körpereigene Gelatinösen eliminiert werden müssen, was die erzielte Wirkung (sollte sie tatsächlich allein vom Kollagenschrumpfen kommen) relativ schnell reduzieren sollte.

Das Ganze führt zu einer konsequenten Frage, wie realistisch das wärmebedingte Kollagenschrumpfen in nicht invasiven ästhetischen Anwendungen wirklich sein kann? Besonders aktuell wird diese Frage wegen immer größerer Verbreitung von RF-Behandlungsmethoden in der ästhetischen Medizin unabhängig von eingesetzten technischen Lösungen wie mono-, bi-, tri-, oder sogar multi-polare Elektrodenanordnung.

THERMISCHE STABILITÄT DES KOLLAGENS

Prokollagen-Moleküle bestehen aus drei Polypeptidketten, die durch schwache intramolekulare Verbindungen eine Tripelhelix-Struktur (drei linksgängige Helices, die in einer rechtsgängigen Superhelix aneinandergelagert sind) bilden. Diese intramolekularen Verbindungen sind reduzierbare Wasserstoffbrücken (sog. H-Brücken), die zwischen Glysinen von einer Helix und Prolinen von einer anderen Helix entstehen, so dass normalerweise eine H-Brücke pro Triplet existiert. Diese einzelnen Helix-Windungen können weiter in parallel angeordneten Strukturen wie Mikrofibrillen (bestehend aus 5 Kollagen-Molekülen) und Fibrillen, sowie weiter in Fasern durch deutlich stärkere als die H-Brücken intermolekulare Verbindungen (Aldehyd-Brücken) organisiert und zusammengehalten werden. Nur solche reife fibrilläre Strukturen können für mechanische Eigenschaften des Bindegewebes verantwortlich sein.

Durch Erwärmung des Kollagens bei supra-physiologischen Temperaturen werden labile intramolekulare Verbindungen gebrochen, wobei die intermolekularen Vernetzungen weiter bestehen bleiben können. Daraus resultiert eine Denaturierung des Kollagens, oft auch Kollagenschrumpfen genannt: die Kollagen-Fibrillen verlieren ihre innere Helix-Struktur, schrumpfen entlang der Hauptachse der Fibrille und werden hauptsächlich durch intermolekulare Vernetzungen zusammen gehalten. Solche Konformationsänderung entspricht einer Umwandlung des Kollagens aus einer hochorganisierten kristall-förmigen Struktur in einen gel-förmigen (denaturierten) Zustand.

Die Tripelhelices von Kollagen bilden Matrix-Strukturen von verschiedenen Gewebsarten und sollten thermisch und mechanische relativ stabil bei Körpertemperaturen bleiben. Es wurde daher lange angenommen, dass diese Moleküle eine marginale Thermostabilität besitzen und erst einige °C über der Körpertemperatur denaturieren. Vieles spricht aber dafür, dass die Denaturierungstemperaturen (TD) tatsächlich unter der Körpertemperatur liegt [4]. Dies deutet darauf hin, dass die Kollagenmoleküle schon bei Körpertemperatur nicht in einer festen Tripelhelix-Form existieren, sondern eine stochastische Wicklungsstruktur haben sollten. Sobald die Prokollagen-Moleküle aus den Zellen ausscheiden, fangen sie an, sich sofort zu entfalten.

Es wird vermutet, dass solch eine „Mikroentfaltung“ mit dem Verlust von stabilisierenden Hitze-Schock-Proteinen (HSP) verbunden sein kann. Diese schnellen Entfaltungsprozesse erklären, warum viele neu produzierte Prokollagenmoleküle spontan wieder degradieren und niemals reife fibrilläre Strukturen bilden. Nachdem die Moleküle sich zu entfalten anfangen, wird durch ein Feedback-Mechanismus die Fibrillogenese (Bildung von Kollagen-Fibrillen aus einzelnen Kollagenmolekülen) aktiviert, um die Helices wieder zu stabilisieren. So können aus instabilen Molekülen stabile Gewebsstrukturen gebildet werden [5].

Supra-physiologische Gewebeerwärmung kann die Mikroentfaltung verstärken. Das wird allerdings in der ersten Linie die freien Prokollagen-Moleküle betreffen und nicht zu einer nachhaltigen Veränderung des Kollagennetzwerkes führen, wofür viel höhere Temperaturen benötigt werden. Reifes Kollagen denaturiert normalerweise bei Temperaturen TD von ca. 60–65°C. Als charakteristischer Wert wurde hier die sogenannte Umwandlungstemperatur eingeführt, bei welcher 50% aller Kollagenmoleküle denaturieren. Weil die Konformationsänderungen normalerweise in einem Temperaturintervall von 10–12°C stattfinden, können die ersten Umwandlungen in der Regel schon 5–6°C unter dem TD-Wert beobachtet werden.

Das setzt die absolute Grenze von minimal wirksamen denaturierenden Temperaturen im Bindegewebe auf ca. 55°C. Die Grenztemperaturen, bei welchen die ersten Anzeichen der Denaturierung beobachtet werden, sind von verschiedenen kontrollierbaren und unkontrollierbaren Parametern (z.B. von der Erwärmungsgeschwindigkeit, Gewebehydratation, Stress, Erwärmungsgeschichte, usw.) maßgeblich abhängig. Reduzierung des TD-Wertes um nur 1 °C kann die Entfaltungszeit bei Körpertemperaturen von einigen Tagen auf einige Stunden reduzieren mit der Folge, dass die dynamische Balance zwischen der Kollagenentfaltung und der Fibrillen-Bildung erheblich verändert wird.

Dazu kommt noch ein wichtiger Punkt: Veränderungen in Kollagenstrukturen während der Erwärmung können je nach Temperatur und Einwirkzeit entweder reversibel oder irreversibel sein. Eine moderate und relativ kurzfristige Temperaturerhöhung resultiert in lokalen Veränderungen in den intramolekularen Kollagenstrukturen, welche allerdings nach einer gewissen Ruhezeit unter normalen Umgebungsbedingungen wieder regenerieren (reversible Veränderungen), falls solche vorbeschädigten Moleküle vorher nicht enzymatisch gespaltet werden. Bei höheren Temperaturen treten irreversible strukturelle Veränderungen im Kollagen auf, die nicht mehr spontan repariert werden können. Solche denaturierten Kollagenstrukturen können dann nur durch MMPs eliminiert werden.

KOLLAGENSCHRUMPFEN: PARAMETRISCHE ABHÄNGIGKEIT

Ergebnis einer Kollagenerwärmung ist sehr stark von verschiedenen Parametern abhängig. Die wichtigsten davon sind:

  • Maximale Temperatur im Gewebe
  • Expositionszeit
  • mechanischer Stress während der Erwärmung
  • Kollagengehalt und Orientierung von Kollagenfasern
  • Alter des Kollagengewebes
  • pH-Wert des Gewebes
  • Gewebehydratation.

Maximale Temperatur und Expositionszeit 

Je höher die Temperatur welcher Kollagenstrukturen ausgesetzt sind, desto kürzer die notwendige Expositionszeit, um die gleiche modifizierende Wirkung auf Kollagen zu erzielen. So kann eine hydrothermale Erwärmung des Kollagens aus dem Schultergelenk in vitro auf 65°C in 10 min zu einem ca. 10%igen Kollagenschrumpfen führen, wobei eine Erwärmung auf 80°C in 1,5 min schon ein 60%iges Kollagenschrumpfen hervorrufen kann. Ähnliche Experimente mit RF an gleichen Kollagenproben zeigten andere Werte: weniger als 4%iges Kollagenschrumpfen unter 65°C mit dem Maximalwert von 14% bei 80°C [6]. Noch niedrigere Werte wurden an der Ratenschwanzsehne bei Temperaturen von 58°C mittels SHG (second harmonic generation)-Mikroskopie gemessen [7]: nach 1,5 min wurde ein Schrumpfen von weniger als 10% festgestellt, wobei nach 9 min Erwärmung dieses Schrumpfen fast 50% erreichte.

Experimente in vitro zeigen dabei noch einen Plateau-Effekt: wird ein gewisser Denaturierungsgrad des Kollagens erreicht findet keine zusätzliche Denaturierung bei weiter steigenden Temperaturen mehr statt. Wenn man in Betracht zieht, dass die Zellvitalität schon bei Temperaturen ab 45°C stark beeinflusst werden kann, scheint es ziemlich unwahrscheinlich, dass ein Kollagenschrumpfen während nicht invasiven RF-Behandlungen( die in der Regel deutlich kürzer als in den oben genannten Beispielen ausgeführt werden und entsprechend keine lokale Verbrennungen im Gewebe produzieren können) als Ursache für die in der Praxis oft beobachteten Skin Tightening-Effekte verantwortlich sein kann.

Mechanischer Stress

Wird das Gewebe während der Erwärmung einem mechanischen Stress ausgesetzt, kann sich unter sonst gleichen Bedingungen die Umwandlungstemperaturdeutlich verändern. Während absolute Temperatur und Wärmeexpositionszeit qualitativ ähnliche Wirkungen auf Denaturierungsprozesse zeigen, kann sich die Wirkung des mechanischen Stresses in einer Senkung der prozentualen Anzahl denaturierter Kollagenfasern bei gleicher Expositionszeit bzw. in einer Verlängerung der notwendigen Expositionszeit bei gleichem Denaturierungsgrad manifestieren.

Dieser Effekt kann mit einer Umorientierung von Kollagenfasern unter mechanischem Stress erklärt werden. Tatsächlich, mechanischer Stress kann physikalische Eigenschaften des Gewebes maßgeblich verändern und eine künstliche Anisotropie in die Spannrichtung bilden. Dieses Phänomen kann eine wichtige Rolle bei praktischen Anwendungen der ST-Methoden (z.B. in der Kombination vom RF-Strom mit Vakuum) spielen.

Kollagengehalt und Orientierung von Kollagenfasern Je höher der Kollagengehalt im Gewebe und je angeordneter die Fibrillen, desto höhere Temperaturen bzw. Expositionszeiten werden gebraucht, um den gleichen Modifizierungsgrad des Kollagens erzielen zu können. Dies kann erklären, warum die Ergebnisse einer extremen Temperatureinwirkung (z.B. nach einer RF-Behandlung) an verschiedenen Körperstellen unterschiedlich ausfallen können. Körperstellen mit besonders gutangeordneten Kollagenfasern sind stark anisotrop (richtungsabhängig).

Ein bekanntes Beispiel dafür sind die sog. Langer’s-Linien, die nicht nur die bevorzugte Richtung der Faltenbildung bzw. die Ausprägung der Narbenbildung bei einer Hautverletzung bestimmen können, sondern auch das Lichtabsorptionsmuster im Gewebe stark beeinflussen [8]. Bei solcher Anisotropie kann die ausgewählte Richtung des Stromflusses oder der Lichtausbreitung (parallel oder senkrecht zu lokaler Orientierung der Kollagenfasern) Behandlungsergebnisse signifikant beeinflussen.

Alter und pH-Werte imKollagengewebe

Reduzierbare kovalente Aldehyd-Verbindungen werden mit zunehmendem Alter kontinuierlich durch nicht reduzierbare multivalente Verbindungen ersetzt. Diese multivalenten Verbindungen sind deutlich stabiler und brauchen wesentlich höhere Temperaturen, um gebrochen zu werden. Dies ist noch ein Grund dafür, warum die Reaktion der Altershaut auf eine extreme Temperatureinwirkung deutlich schlechter im Vergleich zu jüngerer Haut ausfällt.

Schon eine mäßige Veränderung des pH-Wertes im Gewebe in die alkalische Richtung kann zu einer erheblichen Steigerung der Umwandlungstemperatur führen. Im Gegensatz dazu sollten alle supportiven Behandlungsmethoden, die eine vorübergehende pH-Senkung im Gewebe hervorrufen können, eine potenzierende Wirkung auf die Behandlungsergebnisse von hier diskutierten Methoden zeigen.

Gewebehydratation

Es ist schon lange bekannt, dass eine zusätzliche Gewebehydratation zu einer Steigerung der Kollagen-Denaturierung bei gleichen Temperaturen im Gewebe führen kann [9]. Die dazu führenden mikroskopischen Veränderungen sind nicht ganz klar; es wird allerdings spekuliert, dass freie Wassermoleküle zusätzliche Verbindungen zu deformierten Kollagenmolekülen bilden, wodurch diese Moleküle angeblich nicht mehr renaturieren können. Reduktion der Gewebehydration mit zunehmendem Alter ist ein ganz wichtiger Grund, warum die Reaktion solcher Haut auf eine Wärmeeinwirkung deutlich schlechter als in einer jüngeren Haut ausfällt. Supportive Behandlungsmethoden, die zu einer Steigerung des Wassergehaltes im Gewebe vor der Wärmeeinwirkung führen, können Behandlungsergebnisse entsprechend positiv beeinflussen.

Hydratation des Gewebes kann allerdings selbst durch eine Temperatursteigerung während der Behandlung in gewissen Rahmen verändert werden. Das hat u.a. mit der Produktion vom neuen Hyaluronan (HA) bei Temperaturen ab 42°C zu tun [10], die auch mit lokaler HSP-Produktion im Gewebe korreliert.

Zusätzliche Wasserbindung durch neuproduziertes HA führt zu einer kurzzeitigen Turgorerhöhung im Behandlungsgebiet, was eine deutliche wobei auch relativ kurzfristige Hautbildverbesserung nach solchen ST-Behandlungen mit RF-Strömen zur Folge haben kann. Das Ganze zeigt, dass Kollagenschrumpfen ein sehr parameterabhängiger Prozess ist, welcher sehr unterschiedlich unter variablen Bedingungen verlaufen kann. Sollte dieser Prozess eine theoretische Grundlage der Wärmemodulation des Bindegewebes in ST-Methoden bilden, müssen Behandlungsergebnisse zwischen verschiedenen Patienten sehr stark variieren und somit oft unvorhersehbar bleiben.

MORPHOLOGISCHE UND MECHANISCHE ÄNDERUNGEN IM THERMISCH BESCHÄDIGTEN GEWEBE

Folgende morphologische Änderungen treten typischerweise in thermisch beschädigtem Gewebe mit denaturiertem Kollagen auf:

  • Vermehrung und Migration von Fibroblasten (Fibroplasie);
  • Ersetzen von nativen bi-modalen Kollagenstrukturen (Mischung aus Kollagenfasern mit kleinen und großen Durchmessern) durch überwiegend kleine Kollagenfasern.

Beide dieser Prozesse sind charakteristisch für Wundheilung und Narbenbildung, sie treten aber erst bei einer richtigen Verwundung des Gewebes auf. Genau diese zwei Prozesse sorgen für entscheidende Unterschiede zwischen einer nicht invasiven Hautverjüngung und einer Wundheilung die oft miteinander verglichen werden. Weil bei einer prolongierten Anwendung von Temperaturen über 60°C nicht nur ein Kollagenschrumpfen- Phänomen sondern auch ein massiver Zelltod im Behandlungsgebiet auftreten muss, sollten nach einer erfolgreichen RF-Behandlung eine deutliche Nekrosenbildung sowie eine schnelle Fibroplasie im Behandlungsgebiet beobachtet werden.

Das ist allerdings eher eine Ausnahme als Regel. Wäre ein ST-Effekt in der Haut nach Anwendung von RFStrömen hauptsächlich mit Kollagenschrumpfen zu erklären, sollte das behandelte Gewebe eigentlich eine erhöhte Stetigkeit (Widerstand gegen Verformung) aufweisen. Experimente zeigen allerdings ein ganz anderes Verhalten des Gewebes bei nachgewiesener Kollagendenaturierung – ein Steifigkeitsverlust.

Es ist auch bekannt, dass Steifigkeitsverlust des Gewebes mit dem Grad des Kollagenschrumpfens korreliert (s. dazu Diskussion in [6]). Es wurde vor kurzem sogar demonstriert, dass thermomechanisch belastete Haut sich unterschiedlich bei Ausdehnung und Kompression verhalten kann: Während sich die Stetigkeit der ausgedehnten Haut mit steigender Temperatur deutlich reduziert, verhält sich die Haut unter Kompression umgekehrt [11]. Das Ganze bedeutet, dass wahre thermische Kollagendenaturierung zwar zu einer kurzfristigen Auffüllung des Gewebes führen sollte, wird aber gleichzeitig eine mechanische Abschwächung des Gewebes verursachen, was in der Kapsuloraphie sogar oft als ein post-operatives Risiko bezeichnet wird. So eine mechanische Abschwächung der Haut nach nicht invasiven und sogar minimal invasiven RF-Behandlungen ist nicht bekannt, was allein schon die ganze Theorie des Kollagenschrumpfens als Grundlage solcher Behandlungen in Frage stellen muss. Sollte allerdings eine signifikante mechanische Abschwächung der Haut nach Anwendung von irgendwelchen speziellen nicht invasiven Methoden tatsächlich festgestellt werden, können solche Methoden wegen daraus entstehenden Risiken nicht mehr als „risikoarm“ bewertet werden.

ZUSAMMENFASSUNG

Kollagenschrumpfen als theoretische Basis der Skin Tightening nach Anwendung von verschiedenen nicht invasiven (vor allem RF-assoziierten) Behandlungsmethoden sollte als sehr zweifelhaft eingestuft werden. Erstens, die dazu benötigten Temperaturen und Einwirkzeiten liegen weit über die Grenzen von dem was die meisten Geräte tatsächlich liefern. Zweitens, ein richtiges Kollagenschrumpfen sollte durch einen massiven Zelltod im Behandlungsgebiet begleitet werden, was klinisch so gut wie nie zustande kommt. Drittens, starke Parameterabhängigkeit des Kollagenschrumpfengrades sollte die Ergebnisse solcher Behandlungsmethoden sehr variabel und fast umvoraussehbar machen. Viertens, massives Kollagenschrumpfen sollte zu einem erheblichen lokalen Steifigkeitsverlust des Gewebes führen, der sofort nach solchen Behandlungen beobachtet und zu einigen Nebenwirkungen führen sollte.

Wobei das Phänomen des Kollagenschrumpfens nach einer Erwärmung tatsächlich existiert und in mehreren in vitro und in vivo Studien auch gut dokumentiert wurde, bleibt immer noch umstritten, ob dieses Phänomen für klinische Ergebnisse nach Anwendung von lokalen Erwärmungsmethoden hauptsächlich verantwortlich sein kann. Sogar bei Kapsuloraphie gibt es keine einheitliche Meinung, ob direktes Kollagenschrumpfen und die damit verbundene Festigung des Gelenkes oder eher die darauf folgende Fibroplasie mit Wundheilung und Narbenbildung für klinische Effekte verantwortlich ist [6]. Für die zweite Variante spricht die zeitliche Entwicklung: Die Endergebnisse können erst Monate nach der Behandlung gesehen werden. In [12] wurde sogar direkt demonstriert, dass RF-Behandlung der Achillessehne keine Auswirkung auf Kollagenschrumpfen hat, wobei eine signifikante Festigung der behandelten Sehne im Vergleich zu kontra-lateraler Kontrolle acht Wochen nach der Behandlung erzielt wurde.

Viel realistischer scheint als Grundlage der thermischen Wirkungen bei Skin-Tightening Behandlungen direkt während oder kurzfristig nach ihrer Durchführung nicht das Kollagenschrumpfen, sondern die lokale Anregung der HA-Produktion zu sein. Diese Produktion führt zu einer lokalen Wasseransammlung und entsprechender Turgorerhöhungim Behandlungsgebiet mit einer schnellen hautbildverbessernden Wirkung. Obwohl solche erhöhte HA-Produktion eine unspezifische Reaktion ist, die bei allen Arten der Gewebeerwärmung mehr oder weniger auftreten sollte, hängt sie vom Temperaturverteilungsmuster im Gewebe sowie von HA-Produktionskapazitäten der Haut stark ab und wird in der Altershaut generell deutlich reduziert. Das letzte kann die bekannte Eintrittsgrenze für die Effektivität solcher Behandlungen erklären.

Korrespondenz-Adresse

Dr. rer. nat. habil. Ilja L. Kruglikov
Wellcomet GmbH, Karlsruhe
Greschbachstraße 2–4
D-76229 Karlsruhe, Germany
i.kruglikov@wellcomet.de

Conflict of Interests

Dr. I. Kruglikov is the managing partner of Wellcomet GmbH

Literatur

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2. Kruglikov IL (2013) Kontroversen in der ästhetischen Medizin:
3. Neokollagenese – „Die unendliche Geschichte“. Kosmet Med 34: 22-26.
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10. Wegrowski Y (1993) Effect of hyperthermia on the extracellular matrix. I. Heat enhances hyaluronan and inhibits sulphated glycosaminoglycan synthesis. FEBS Lett 334: 121-124.
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