Übersichtsarbeit

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Anatomie für Injektionsbehandlungen – aktuelle Konzepte und die Bedeutung von Hands-On Fortbildungen

Anatomy for injection treatments - current concepts and the importance of hands-on training

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Keywords

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Schlüsselworte

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Summary

Knowledge of functional facial anatomy and understanding of current anatomical aging concepts is the foundation of any effective, not to mention safe, minimally invasive therapy. This brief overview provides an insight into the current state of knowledge and underlines the value of practical hands-on training on human specimens.

Zusammenfassung

Die Kenntnis der funktionellen Gesichtsanatomie und das Verständnis aktueller anatomischer Alterungskonzepte ist die Grundlage einer jeden effektiven, nicht zuletzt aber auch sicheren minimal-invasiven Therapie. Diese kurze Übersicht gibt einen Einblick in den derzeitigen Stand des Wissens und unterstreicht die Wertigkeit praktischer Hands-On Fortbildungen an Humanpräparaten.


Peter Arne Gerber1 und Timm Filler2

1Dermatologie am Luegplatz, Luegplatz 3, 40545 Düsseldorf

2Institut für Anatomie, Medizinische Fakultät, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf

Aktuelle Konzepte

Ein grundlegendes Konzept der (Gesichts-) Anatomie ist die sogenannte Schichtanatomie (engl. layered anatomy) [1], (Abb. 1). So lassen sich zunächst von außen nach innen fünf Schichten differenzieren: 1. Die Haut, 2. das subkutane Fettgewebe, 3. das superfizielle muskulo-aponeurotische System (SMAS), 4. die tiefen Fettkompartimente und 5. der Knochen bzw. das Periost. Ferner zeigen Untersuchungen der letzten Dekaden, dass die Fettschichten nicht homogen durchgängig, sondern in superfiziellen und tiefen Fettkompartimenten organisiert sind. Fettkompartimente verlieren im Zuge des Alterungsprozesses Volumen und sinken der Schwerkraft folgend nach caudal [2]. Tatsächlich unterscheidet sich diese „Deflation“ aber in Ausmaß und Chronologie, was unmittelbare Implikationen auf die Behandlung von Alterungszeichen hat. So manifestieren sich entsprechende Veränderungen früh im Periorbitalbereich wohingegen die sogenannten Hängebäckchen (engl. jowls) im Alter praktisch kein Volumen verlieren. Entsprechend bieten sich Augmentationen der sogenannten Tränenrinne (engl. tear trough) bei entsprechender Indikation auch schon bei jüngeren Patienten an, wohingegen sich Volumengaben in die Jowls in der Regel verbieten. Anatomisch-funktionell relevante Strukturen, welche die vorbeschriebenen Strukturen durchspannen und fixieren, sind die sogenannten Haltebänder. Eine gedachte Verbindung von Bändern, die den mobilen medialen Anteil des Gesichtes vom eher immobilen lateralen Anteil des Gesichtes trennt, ist die sogenannte Line of Ligaments [1]. Eine aktuelle Publikation von Cotofana und Kollegen propagiert in diesem Kontext, dass eine Volumeninjektion lateral der Line of Ligaments das Gesicht eher liftet, während eine mediale Volumengabe eher volumengebend wirkt [3]. Wurde im Rahmen der entsprechenden Studie also zunächst lateral und dann medial injiziert, wurde für das klinisch gleiche Endergebnis insgesamt weniger Volumen injiziert, als wenn im ersten Schritt medial injiziert wurde. In diesem Sinne lautet ein Credo: Lateral first!

Abb. 1: Systematik der anatomischen Schichten.

Mit Blick auf die Behandlungssicherheit stellt der iatrogene Verschluss von Gefäßen sicherlich das größte Risiko einer Fillerbehandlung dar. „Kritische Gefäße“ sind hierbei vor allem im zentralen Gesichtsbereich die Arteria facialis mit ihren Abgängen und Anastomosen sowie im lateralen bzw. latero-cranialen Gesichtsbereich die Arteria temporalis interna und externa. Von caudal kommend verläuft die A. facialis bzw. im Verlauf auch A. marginalis im Bereich der Mandibula etwa an der Vorderkante des Musculus masseter, dann ca. 0,5 bis 1,0 cm lateral des Mundwinkels, über die Nasolabialfalte, das piriforme Dreieck und schließlich lateral der Nase bis in den Bereich der Glabella, wo sie sich u.a. in die A. supratrochlearis und die A. nasalis aufzweigt bzw. mit diesen anastomosiert. Der Verlauf der A. facialis bzw. ihrer Äste korreliert in mehreren Abschnitten dann auch mit der Lokalisation von high risk-Arealen, also Injektionsbereichen respektive Indikationen, die mit einem erhöhten Risiko für vaskuläre Komplikationen einhergehen. Diese sind nämlich die Nasolabialfalte, der Glabellarbereich und insbesondere die Nase [4].

 

Tatsächlich besteht dann hier auch nicht „nur“ ein Risiko für gefäßverschlussbedingte Hautnekrosen, sondern auch für visuelle Komplikationen bis hin zur Erblindung [5,6,7].

 

Deutlich mehr als die vorbeschriebenen fünf Schichten lassen sich in der Temporalregion identifizieren, die ja in den letzten Jahren an Bedeutung für ästhetische Injektionsverfahren gewonnen hat [8], (Abb. 2). So finden sich 1. Haut; 2. Subcutanes Fettgewebe; 3. Oberflächliche Temporalisfaszie (oberflächliches und tiefes Blatt mit A. temporalis superficialis), 4. Tiefes temporales Fett; 5. Tiefe Temporalisfaszie (mit 5. Lamina superficialis und 7. Lamina profunda und) mit 6. Superfiziellem temporalem Fettkompartiment und V. temporalis; 8. Tiefes temporales Fettkompartiment (als temporaler Ausläufer des Bichat´schen Fettpropfes) mit A. temporalis profunde; 9. Musculus temporalis; und 10. Periost. Gefährlich kann die Injektion also am ehesten in Schicht 3 oder 8 werden. Im Gegenschluss mag eine vermeintlich sicherere Injektion entweder mittels atraumatischer Kanüle in Schicht 2 oder 4, oder mittels spitzer Injektion tief mit Knochenkontakt in bzw. auf Schicht 9, respektive 10 erfolgen. Eine Injektion verspricht hier nicht nur das Auffüllen der sogenannten temporal hollows sondern auch einen Liftingeffekt für das komplette (Mittel-) Gesicht [9].

Abb. 2: Anatomische Schichten der Regio temporalis.

Hier können in Kürze, natürlich nur einige Aspekte beleuchtet werden. Alleine die Anatomie und Injektionstechniken für eine Augmentation der Tränenrinne, Lippen oder auch fortgeschrittene, mitunter kontrovers diskutierte Indikationen, wie die Nase, könnten ganze Beiträge füllen, ganz zu schweigen vom Komplex der ästhetischen Botulinumtoxininjektionen [10]. Dies mag aber an anderer Stelle oder eben in praxisnahen Hands-On Workshops erarbeitet werden.

 

Fazit

In Zusammenschau unterscheidet sich die tatsächliche, funktionelle Anatomie in vielen Aspekten von den Darstellungen klassischer Anatomielehrbücher. Insbesondere die Orientierung in der dritten Dimension lässt sich in Beschreibungen und Darstellungen häufig nur schwer nachvollziehen. Vor diesem Hintergrund kann der Wert von Hands-On Anatomiefortbildungen an echten Präparaten nicht genug herausgestellt werden! Eine Gelegenheit an solch einem Kurs mit fresh frozen Präparaten zu partizipieren, bietet sich im Rahmen des GÄCD-Anatomie Masterkurses in Düsseldorf am 18. November 2023. Nähere Informationen finden sich z.B. auf der Homepage der Gesellschaft für Ästhetische Chirurgie Deutschland (GÄCD e.V.), www.gacd.de.

 

Korrespondenz-Adresse

Prof.Dr.med. Peter Arne Gerber
Dermatologie am Luegplatz
Luegplatz 3
DE-40545 Düsseldorf
prof.gerber@dermatologie-am-luegplatz.de

Literatur

1. Mendelson, Bryan C. and Chin-Ho Wong. “Anatomy of the aging face.”, 2013.
2. Gierloff M, Stöhring C, Buder T, Wiltfang J. The subcutaneous fat compartments in relation to aesthetically important facial folds and rhytides. J Plast Reconstr Aesthet Surg. 2012 Oct;65(10):1292-7. doi: 10.1016/j.bjps.2012.04.047. Epub 2012 May 31. PMID: 22658728.
3. Cotofana S, Freytag DL, Frank K, Sattler S, Landau M, Pavicic T, Fabi S, Lachman N, Hernandez CA, Green JB. The Bidirectional Movement of the Frontalis Muscle: Introducing the Line of Convergence and Its Potential Clinical Relevance. Plast Reconstr Surg. 2020 May;145(5):1155-1162. doi: 10.1097/PRS.0000000000006756. PMID: 32332530.
4. Ozturk CN, Li Y, Tung R, Parker L, Piliang MP, Zins JE. Complications following injection of soft-tissue fillers. Aesthet Surg J. 2013 Aug 1;33(6):862-77. doi: 10.1177/1090820X13493638. Epub 2013 Jul 3. PMID: 23825309.
5. Beleznay K, Carruthers JD, Humphrey S, Jones D. Avoiding and Treating Blindness From Fillers: A Review of the World Literature. Dermatol Surg. 2015 Oct;41(10):1097-117. doi: 10.1097/DSS.0000000000000486. PMID: 26356847.
6. Beleznay K, Carruthers JDA, Humphrey S, Carruthers A, Jones D. Update on Avoiding and Treating Blindness From Fillers: A Recent Review of the World Literature. Aesthet Surg J. 2019 May 16;39(6):662-674. doi: 10.1093/asj/sjz053. PMID: 30805636.
7. Kapoor KM, Kapoor P, Heydenrych I, Bertossi D. Vision Loss Associated with Hyaluronic Acid Fillers: A Systematic Review of Literature. Aesthetic Plast Surg. 2020 Jun;44(3):929-944. doi: 10.1007/s00266-019-01562-8. Epub 2019 Dec 10. PMID: 31822960.
8. Cotofana S, Gaete A, Hernandez CA, Casabona G, Bay S, Pavicic T, Coimbra D, Suwanchinda A, Swift A, Green JB, Nikolis A, Frank K. The six different injection techniques for the temple relevant for soft tissue filler augmentation procedures - Clinical anatomy and danger zones. J Cosmet Dermatol. 2020 Jul;19(7):1570-1579. doi: 10.1111/jocd.13491. Epub 2020 Jun 1. PMID: 32418303.
9. Hernandez CA, Freytag DL, Gold MH, Pavicic T, Ascher B, de Almeida AT, Green JB, Fabi SG, Frank K, Cotofana S. Clinical validation of the temporal lifting technique using soft tissue fillers. J Cosmet Dermatol. 2020 Oct;19(10):2529-2535. doi: 10.1111/jocd.13621. Epub 2020 Jul 27. PMID: 32662554.
10. Gerber PA and Hilton S. Botulinumtoxin in der ästhetischen Dermatologie: Lehrbuch für die Praxis, Heidelberg: Springer Berlin Heidelberg, 2020.

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