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Kontroversen in der Ästhetischen Medizin – 3. Neokollagenese – „Die unendliche Geschichte“

CONTROVERSIES IN AESTHETIC MEDICINE: 3. NEOCOLLAGENESIS – „THE UNENDING STORY“

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Summary

Dermal neocollagenesis is often assumed to be the main reason of visible skin improvement after different non-invasive and minimal invasive aesthetic procedures. However, the very slow dynamics of the mature collagen remodelling within the extra cellular matrix of dermis (with a half-life time of 15 years) renders every observable up-regulation of collagen production insufficient to replace a significant part of the matrix during the short time in which skin improvement is claimed to take place.

Zusammenfassung

Die dermale Neokollagenese wird oft als Hauptursache für eine optische Hautbildverbesserung nach verschiedenen nicht invasiven und minimal invasiven ästhetischen Behandlungen angesehen. Eine sehr langsame Remodellierungs-Dynamik des reifen Kollagens (mit einer Halbwertzeit von ca. 15 Jahren) macht es allerdings fast unmöglich, dass ein signifikanter Teil der extrazellulären Matrix innerhalb einer kurzen Zeit nach einer Behandlung umgebaut und somit für diese Veränderungen verantwortlich sein kann.


EINFÜHRUNG

Neokollagenese (Kollagenproduktion de novo) ist einer der Schlüsselbegriffe in der ästhetischen Medizin. Angesichts der wichtigen Rolle des Kollagens für die mechanischen und strukturellen Eigenschaften des Bindegewebes wird die Neokollagenese sehr oft als wichtigstes Ziel von diversen nicht invasiven und minimal invasiven ästhetischen Behandlungsmethoden angesehen. Entsprechend werden auch die Behandlungsergebnisse interpretiert – jegliche Hautbildverbesserung, unabhängig davon, ob sie sich in der Porenverkleinerung, Faltenminderung oder Turgorverbesserung widerspiegelt, wird durch eine lokale Anregung der Neokollagenese in der Haut erklärt. Dies betrifft fast alle Behandlungsmethoden, die zu den Gruppen von „Skin Rejuvenation“ oder „Skin Tightening“ gehören (wie beispielsweise Laser-, IPL- und LED-Methoden), verschiedene Modalitäten, die auf Anwendung von hochfrequenten Strömen basieren, unterschiedliche Ultraschall-Techniken, sowie ihre Kombinationen. Alle diese Methoden sollten, laut Angaben verschiedener durchgeführter klinischer Studien zu einer mehr oder weniger starken Neokollagenese führen.

Dass bei unterschiedlichen Behandlungsmethoden mit grundverschiedenen physikalischen Eigenschaften die Wirkung hauptsächlich auf einen und denselben Mechanismus der Neokollagenese zurückgeführt wird, ist kein Zufall. Jede dieser Methoden möchte für sich eine nachhaltige Wirkung beanspruchen, die jedoch nur dann theoretisch möglich wäre, wenn entweder eine Verdichtung oder zumindest eine signifikante Erneuerung des rigiden Netzes aus reifem, nicht auflösbarem Kollagen in Folge der Behandlung realisiert werden kann. Diese Zielsetzung ist das Resultat einiger gut dokumentierter Untersuchungen, die bewiesen haben, dass der Kollagengehalt während einer chronologischen Alterung kontinuierlich reduziert wird und dass sein Abbau durch eine photoinduzierte Hautalterung oder nach wiederholten Remodellierungen im Bindegewebe weiter verstärkt werden kann [1].

Die Neokollagenese erscheint in der ästhetischen Medizin wie eine unspezifische Reaktion von Fibroblasten auf verschiedene Temperatur- oder Druckveränderungen im Bindegewebe und wird schon bei niedrigen angewendeten physikalischen Kräften vermutet. Obwohl das rein theoretisch möglich wäre, wirft dieses Bild verschiedene Fragen auf, die nicht so einfach beantwortet werden können und die zu einigen Problemen führen, weil sie mit den aus der Grundforschung bekannten Eigenschaften des Kollagen-Turnovers konfrontieren [2]. In diesem Artikel werden diese Probleme analysiert und die Plausibilität der Neokollagenese-Hypothese bei nicht invasiven und minimal invasiven ästhetischen Behandlungsmethoden diskutiert.

WICHTIGSTE WIDERSPRÜCHE IN DER NEOKOLLAGENESE

Eine Veränderung des Kollagengehaltes im Bindegewebe ist sowohl von der Anzahl der Fibroblasten als auch von den Änderungsraten der Kollagenproduktion und des Kollagenabbaus abhängig. Diese Prozesse sind durch verschiedene Feedback-Mechanismen miteinander verbunden und haben sehr unterschiedliche charakteristische Zeiten. Genau daraus resultieren die größten Probleme der Neokollagenese als Wirkungsgrundlage bei nicht invasiven und minimal invasiven ästhetischen Behandlungsmethoden, die grundsätzlich in zwei Gruppen aufgeteilt werden können.

1. Selbstregulation der extrazellulären Matrix (EZM)

Die Aufbau-Prozesse im Bindegewebe sind durch Feedback-Mechanismen eng mit den Abbau-Prozessen gleicher Strukturen verbunden. Jede Stimulation des Gewebes, die zu einer verstärkten Kollagenneuproduktion durch Fibroblasten führt, ruft gleichzeitig einen Abbau (hauptsächlich durch Stimulation von Matrix Metalloproteinasen, MMPs) des neu produzierten Kollagens hervor. Demnach muss sich das System unter quasi-physiologischen Bedingungen in einem dynamischen Gleichgewicht befinden. Sollten die Abbau-Prozesse komplett ausgeschaltet werden oder pathologisch bedingt nicht funktionieren, könnte dies zu einem unkontrollierten Anstieg des Kollagengehaltes in der Haut führen. Konsequenterweise müsste diese Selbstregulation bedeuten, dass ein Großteil des neu produzierten Kollagens zeitnah auch wieder zerlegt wird, es sei denn man verwendet eine Spezialstrategie: Stimulation der Kollagenproduktion de novo mit einer gleichzeitigen Suppression entsprechender kollagenabbauender MMPs.

Solche Selbstregulationsprozesse laufen auf allen Ebenen der Kollagenproduktion ab, sind aber unterschiedlich gesteuert und haben auf jede Ebene ihre eigene Dynamik. Für eine korrekte Interpretation von klinischen Ergebnissen bei Anwendung von nicht invasiven ästhetischen Behandlungsmethoden ist es wichtig zu klären, welche Kollagenproduktionsebene tatsächlich gemeint ist – Vorstufen von Kollagen oder reifes Kollagen?

2. Unterschiedliche Ebenen der Kollagenproduktion

Es gibt drei verschiedene Ebenen der Kollagenproduktion: Prokollagen-mRNS, Prokollagen-Protein und reifes Kollagen. Eine Steigerung der Prokollagen-mRNS kann relativ einfach bewirkt werden und zeigt oft eine deutliche Veränderung im Vergleich zum Grundumsatz. Die mRNS-Stimulation führt jedoch nicht im vollen Umfang zu einem gesteigerten Nettoumsatz des Prokollagen-Proteins im Gewebe. Sollte das Prokollagen-Protein trotzdem stimuliert werden, fällt seine Stimulation deutlich weniger spektakulär aus wie die der mRNS. Die lösliche Triple-Helix-Struktur (Prokollagen) wird in den Fibroblasten produziert.

Sobald das Prokollagen aus den Fibroblasten in die EZM ausgeschieden wird, wird ein Großteil von ihm enzymatisch wieder zerlegt. Nur ein Bruchteil des Prokollagens wird in assembliertes (reifes) Kollagen umgewandelt, das zahlreiche Quervernetzungen enzwickelt und enzymatisch sehr resistent bleibt. Genau diese Resistenz ist hauptsächlich für die sehr langen Halbwertzeiten vom Kollagen verantwortlich. Des Weiteren kann nur das reife Kollagen, nicht jedoch das Prokollagen, mechanische Eigenschaften der Haut bestimmen. Dynamisch sind diese drei Ebenen sehr unterschiedlich und besitzen Halbwertzeiten, die sich um Größenordnungen voneinander unterscheiden. Es entsteht somit eine paradoxe Situation – die Reaktionszeiten der EZM, die hauptsächlich aus reifem Kollagen besteht, liegen weit über der zeitlichen Grenze, wo Ergebnisse in der Regel nach einer nicht invasiven Behandlung beobachtet werden.

In fast allen klinischen Studien wird nämlich die Konzentration der Prokollagen-mRNS oder des Prokollagen-Proteins nach der Behandlung gemessen und ihre Stimulation als Neokollagenese bezeichnet. Diese Neokollagenese kann allerdings nicht ohne weiteres auf reifes Kollagen übertragen werden. Daraus resultiert ein klassischer Fehler – die Korrelation zwischen der gemessenen Prokollagen-Stimulation und einigen registrierten Hautbildverbesserungen direkt oder kurzfristig nach der Behandlung wird als eine kausale Verbindung interpretiert. Dass verschiedene Behandlungsmethoden jedoch unterschiedliche Dynamik in der Kollagenproduktion hervorrufen können, wird hier an zwei Beispielen demonstriert.

Beispiel 1: Gleichzeitige Stimulation von Prokollagen und MMPs

Eine ablative Anwendung des CO2 Lasers kann die Produktion von Prokollagen I signifikant (bis zu 7,5-fach vom Grundumsatzwert, 21 Tage nach der Behandlung) erhöhen [3]; der MMP-1 mRNS-Wert wird dabei jedoch auch stark stimuliert (bis zu 40.000-fach, 7 Tage nach der Behandlung) und diese Stimulation korreliert mit dem gemessenen MMP-1 Protein-Wert.

Obwohl die Konzentration des Prokollagen I-Proteins in der behandelten Haut bis zu sechs Monate nach der Behandlung erhöht bleibt, sind seine Werte deutlich niedriger als die der Prokollagen I-mRNS, was mit dem oben beschriebenen Feedback-Mechanismus zu erklären ist.

Beispiel 2: Simultane Stimulation von Prokollagen und Inhibierung von MMPs

Eine Anwendung von 532 nm KTP oder 1.064 nm Q-switched Nd:YAG Laser mit Intensitäten von lediglich 1,5 J/cmÇ kann die Produktion von Prokollagen I und III-mRNS stimulieren und gleichzeitig die Aktivitäten von MMP-1 und MMP-2 inhibieren, was im Endresultat den Abbau des neu produzierten Kollagens stark reduziert [4].

Die Aktivierung/Inhibierung der MMPs im Gewebe ist stark davon abhängig, welche physikalischen Faktoren verwendet werden und mit welcher Intensität gearbeitet wird. So kann das Licht je nach Fluence and Wellenlänge entweder eine stimulierende oder eine suppressive Wirkung auf die MMPshaben. Beispielsweise zeigt die Anwendung einer Elastokompression (eine der Standarttherapiearten bei offenen Wunden und Narben sowie bei Cellulite) unterschiedliche Wirkungen auf die Gelatinasen MMP-2 und MMP-9, die bekanntermaßen unterschiedlich während der einzelnen Stadien der Wundheilung und Narbenbildung produziert werden. Der RF-Strom kann bei niedrigeren Intensitäten die MMP-Produktion unterdrücken, wirkt jedoch bei zunehmender Temperatursteigerung im Gewebe MMP-stimulierend. Eine milde Hyperthermie (43–45ÆC) kann die MMP-1 um fast 100% erhöhen, was eine deutliche Auswirkung auf sein Substrat Kollagen I zeigen sollte. Gleichzeitig kann eine milde Hypothermie (32–34ÆC) die Gelatinase-Aktivitäten signifikant reduzieren. Statische und zyklische monoaxiale Dehnungen der Haut können unterschiedliche Wirkungen auf Gelatinasen haben. Während mechanische Kräfte von 1 dyn/cm2 eine suppressive Wirkung auf verschiedene MMPs zeigen, können die Kräfte ab 6 dyn/cm2 stimulierend auf die MMPs wirken.

Allein diese Vielfältigkeit von möglichen Reaktionen sollte die Wichtigkeit der Neokollagenese bei verschiedenen nicht Invasion ästhetischen Behandlungsmethoden in Frage stellen.

HALBWERTZEITEN DES KOLLAGEN-TURNOVERS IN DER HAUT

Es gibt unterschiedliche Schätzungen von charakteristischen Halbwertzeiten von Prokollagen und reifem Kollagen in der Haut. Diese Variabilität hat damit zu tun, dass die Turnover- Raten des Kollagens (besonders bei der Vorstufen-Ebene des Kollagens) sehr sensibel auf Umgebungsbedingungen reagieren können. Eine der bekanntesten Messungen der Prokollagen-Erneuerungsrate zeigt unter physiologischen Bedingungen charakteristische Werte von ca. 0,076%/ Std. [5]. Das entspricht der unteren Grenze der Halbwertzeit von ca. 28 Tagen und somit einer kompletten Erneuerung des Prokollagenbestandes in der Haut innerhalb von 56 Tagen. Bei dieser Einschätzung wurde allerdings angenommen, dass gleichzeitig kein Abbau des Prokollagens stattfindet. Weil unter reellen Bedingungen ein Großteil des Prokollagens jedoch schnell abgebaut wird, kann die tatsächliche Halbwertzeit die oben angegebenen Werte weit überschreiten.

Die Halbwertzeit von reifem Kollagen ist dagegen sehr lang und wurde auf ca. 15 Jahre eingeschätzt [6]. So eine lange charakteristische Turnover-Zeit hängt mit der Crosslink-Struktur des reifen Kollagens und der daraus resultierenden enzymatischen Resistenz zusammen. In anderen Worten, reifes Kollagen wird in der Haut nur sehr langsam ausgetauscht, wobei die neuen Bausteine des Kollagennetzes aus dem bestehenden Prokollagen-Pool gewonnen werden. Diese sehr langsamen Austauschprozesse sind im Wesentlichen dafür verantwortlich, dass zwar eine kontinuierliche aber in der Regel auch eine relativ langsame Verschlechterung des Hautzustandes während der Alterung stattfindet. Dies hat nicht nur etwas mit dem erwähnten Kollagenabbau zu tun, sondern auch mit der Akkumulierung des fragmentierten Kollagens in der Haut, welches die Adhäsion von Fibroblasten und damit die Neukollagen-Produktion stark einschränkt [7]. Die langsamen Remodellierungs-Prozesse in diesem System machen eine schnelle Reparatur von auftretenden Fragmentierungen unter physiologischen Bedingungen sogar theoretisch unmöglich.

Befindet sich das System unter physiologischen oder quasiphysiologischen Bedingungen im Gleichgewicht, kann das Verhältnis zwischen dem Prokollagen und dem reifen Kollagen in der Haut einfach eingeschätzt werden. Gehen wir davon aus, dass das ganze Prokollagen in reifes Kollagen umgewandelt werden kann und nicht enzymatisch abgebaut wird. In diesem Optimalfall müssen die Prokollagenanteile in der Haut ca. 0,5% (28 Tage / 15 Jahre) vom gesamten Kollagen-Gehalt betragen. Obwohl dies unter physiologischen Bedingungen die oberste Grenze für die Prokollagenanteile in der Haut sein sollte, korreliert dieser Wert gut mit einigen bekannten Experimenten (s. Diskussion in [2]).

Solch ein geringer Anteil des Prokollagens, gemessen am gesamten Kollagen-Pool der Haut, müsste bedeuten, dass unter physiologischen Bedingungen nur ein Bruchteil des gesamten Kollagens labil ist bzw. durch Anwendung verschiedener physikalischer Faktoren beeinflusst werden kann. Seine mechanischen Eigenschaften sind deutlich schwächer im Vergleich zu reifen Kollagenstrukturen und seine Gewichtung im gesamten Kollagengehalt der Haut ist so gering, dass Prokollagen keine große Rolle in der Hautbildverbesserung spielen kann, weder direkt nach einer Behandlung noch innerhalb eines bestimmten Zeitraums danach. Im Gegenteil, reifes Kollagennetz ist zwar für mechanische und strukturelle Eigenschaften der Haut verantwortlich, die Halbwertzeit von seinem Turnover ist allerdings so groß, dass keine signifikante Modifikation dieser Struktur unter quasi-physiologischen Bedingungen während einer realistischen Zeit von Tagen oder Wochen stattfinden kann.

REALISTISCHE EINSCHÄTZUNGEN

Wie realistisch ist eine Hautbildverbesserung durch Neokollagenese nach Anwendung einer nicht invasiven Behandlungsmethode unter quasi-physiologischen Bedingungen? Um das besser beurteilen zu können, nehmen wir an, dass die Halbwertzeit von reifem Kollagen ca. 15 Jahre beträgt. Es wird auch angenommen, dass die Anzahl des Prokollagen I-Proteins in der Dermis um das 2,4-fache steigt, was dem maximal gemessenen Wert beispielweise nach einer hautverjüngenden Behandlung mittels photodynamischer Therapie entspricht (Werte sieben Tage nach der Behandlung) [8]. Nehmen wir jetzt an, die erhöhten Prokollagen-Werte blieben konstant (was die Ergebnisse stark überbewerten wird), dann beträgt der Anteil des reifen Kollagennetzwerkes, der während der ersten sieben Tage ausgetauscht wird, lediglich 0,15%. Selbst wenn die Konzentration von Prokollagen I um das 24-fache seines Basiswertes ansteigen würde und sieben Tage stabil bliebe, würde diese Veränderung maximal 1,5% betragen. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass solche Veränderungen des Kollagennetzes eine sichtbare Hautbildverbesserung hervorrufen können.

Das Gleiche sollte auch für eine nicht invasive RF-Behandlung zutreffen, wo die Prokollagen I-mRNS Werte zwischen dem 2,4-fachen (zwei Tage nach der Behandlung) und dem 1,7-fachen (sieben Tage nach der Behandlung) von ihrem Basiswert erhöht sind [9]. In diesem Fall sollte die Veränderung beim Prokollagen I-Protein noch geringer ausfallen als in [8] und die prozentuelle Veränderung des reifen Kollagennetzes sieben Tage nach der Behandlung verschwindend klein sein. In diese Situation könnte nur durch folgende Strategien effektiv eingegriffen werden:

  • Deutliche Verlängerung der Behandlungszeit;
  • Deutliche Erhöhung der Behandlungsintensität, mit einer viel größeren Produktion von Prokollagen, allerdings unter nicht-physiologischen Bedingungen.

Beide Strategien müssen konsequenterweise gleichzeitig mit einer effektiven Suppression der MMP-Moleküle im Behandlungsgebiet verbunden werden. Beispielsweise konnte nach einer 12-monatigen täglichen Anwendung von Retinoin (einer der stärksten natürlichen MMP-Inhibitoren) eine stabile Prokollagen I Steigerung von ca. 80% nachgewiesen werden [10], was unter konstanten physiologischen Bedingungen einer mehr als 6%-gen Remodellierung des fibrillären Kollagennetzes entspricht.

PHYSIOLOGISCHE UND PATHOLOGISCHE BEDINGUNGEN

Wenn unter quasi-physiologischen Behandlungsbedingungen keine signifikante Neokollagenese in der Haut stattfinden kann, ist es vielleicht dann möglich, unter pathologischen Bedingungen eine stärkere Reaktion zu erreichen? Pathologische Bedingungen sind in der Regel mit minimal invasiven Methoden oder deutlich höheren Intensitäten verbunden. Solche Methoden führen normalerweise zu einer inhomogenen Verteilung der eingeführten Energie im Gewebe mit der gleichzeitigen Bildung eines punktuellen oder kanalförmigen Energieabsorptionsmusters.

In solchen Bereichen wird Energie mit viel höheren Energiedichten konzentriert. Diese Energiedichte ist in der Regel so ausgewählt, dass die Toleranzgrenze im Bindegewebe in solchen Bereichen überschritten wird. Dabei wird zwar im Bindegewebe eine höhere Produktion von Prokollagen angeregt, der Haupteffekt wird allerdings nicht mit der physiologischen Neokollagenese sondern mit einer pathologischen Fibrosierung (Mikroverbrennungen und Vernarbungen) verbunden. Diese zwei Arten der Kollagenproduktion unterscheiden sich an einem wesentlichen Punkt: eine physiologische Neokollagenese ist isotrop, die Fibrose ist immer anisotrop und führt zu einer ganz anderen Druckmusterverteilung im Gewebe. Solche Fibrosierungen können sich relativ schnell entwickeln und führen zu einer höheren Spannung in der Haut, die sich dann in einigen relativ schnell auftretenden Hautbildverbesserungen widerspiegeln. Das sollte eine typische Wirkung bei fraktionierenden Behandlungsmethoden wie Laser oder RF der Fall sein, besonders bei der minimal invasiven Anwendung mit RF-Strom durch die Nadel. Wie sich solche Vernarbungen später beim wieder nachlassenden Hautturgor verhalten werden, ist allerdings schwer vorherzusagen, weil die Langzeitergebnisse bei allen bekannten klinischen Studien zu minimal invasiven ästhetischen Behandlungsmethoden dieser Art zurzeit noch fehlen.

Unter pathologischen Bedingungen kann noch ein weiterer Mechanismus den gesamten Kollagengehalt erheblich beeinflussen – die Produktion und Migration von neuen Fibroblasten. Diese Prozesse finden z.B. bei der Wundheilung statt, wenn eine schnelle und signifikante Reparatur von verletzten Strukturen stattfinden soll und eine größere Menge des verletzten Kollagennetzes abgebaut und wieder neu aufgebaut werden muss. Unter quasi-physiologischen Bedingungen spielt dieser Mechanismus allerdings eine untergeordnete Rolle.

ZUSAMMENFASSUNG

Viele nicht invasive und minimal invasive Behandlungsmethoden führen zu einer schnellen, unspezifischen Hautbildverbesserung. Solche Verbesserung wird nach der Theorie oft mit Prozessen der Neokollagenese verknüpft, was diesen Behandlungsmethoden eine langfristige Wirkung sichern sollte. Als Beweis dafür sollte die Korrelation zwischen der Prokollagen-Stimulation (auf mRNS- oder Protein-Ebene) und der auftretenden Hautbildverbesserung dienen. Dagegen sprechen allerdings viele bekannte Fakten aus der Grundforschung. Die Vorstufen der Neokollagenese, die nicht direkt mit der Hautbildverbesserung zu tun haben, können tatsächlich schnell und signifikant stimuliert werden. Diese Stimulation muss allerdings nicht unbedingt zu einer signifikanten Zusatzproduktion des reifen Kollagens führen. Unter quasi-physiologischen Bedingungen kann diese Produktion auch nicht innerhalb eines Zeitraums stattfinden, indem man von einer schnellen Hautbildverbesserungen sprechen könnte. Dafür spricht auch die Tatsache, dass solche Hautbildverbesserungen nur kurz- oder im besten Fall mittelfristig erhalten bleiben.

Sollte eine Überproduktion des reifen Kollagens in diesem Prozess eine signifikante Rolle spielen, müssten die auftretenden Veränderungen wegen der enzymatischen Resistenz des reifen Kollagens auch nur sehr langsam wieder zurückgehen. Dies widerspricht allerdings fast allen bekannten klinischen Ergebnissen nach Anwendungen verschiedener nicht invasiver ästhetischer Behandlungsmethoden.

Zusammenfassend lässt sich daraus schlussfolgern, dass obwohl die Neokollagenese (zumindest auf der Protokollagen-Ebene) räumlich und zeitlich fast immer mit auftretenden Hautbildverbesserungen nach verschiedenen nicht invasiven ästhetischen Behandlungen korreliert, sie bei Einzelbehandlungen unter quasi-physiologischen Bedingungen kausal nicht für diese Verbesserungen verantwortlich sein kann. Wenn jedoch verschiedene kurzfristig oder sogar mittelfristig auftretende Hautbildverbesserungen nach Anwendung verschiedener nicht invasiver Behandlungsmethoden nicht mit dem Prozess der Neokollagenese erklärt werden können, stellt sich die Frage, welcher Mechanismus für diese Veränderungen dann verantwortlich sein kann? Diese Problematik wird in einem anderen Artikel diskutiert.

Korrespondenz-Adresse

Dr. rer. nat. habil. Ilja L. Kruglikov
Wellcomet GmbH
Greschbachstraße 2–4
D-76229 Karlsruhe
i.kruglikov@wellcomet.de

Conflict of Interests

Dr. I. Kruglikov is the managing partner of Wellcomet GmbH

Literatur

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2. Kruglikov IL (2013) Neocollagenesis in non-invasive aesthetic treatments. J Cosm Dermat Sci Appl 3: 1-5.
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5. El-Harake WA, Furman MA, Cook B, Nair KS, Kukowski J, Brodsky IG (1998) Measurement of dermal collagen synthesis rate in vivo in humans. Am J Physiol 274: E586-E591.
6. Verzijl N, DeGroot J, Thorpe SR, Bank RA, Shaw JN, Lyons TJ, Bijlsma JW, Lafeber FP, Baynes JW, TeKoppele JM (2000) Effect of collagen turnover on the accumulation of advanced glycation end products. J Biol Chem 275: 39027-39031.
7. Fisher GJ, Varani J, Voorhees JJ (2008) Looking older. Fibroblast collapse and therapeutic applications. Arch Dermatol 144: 666-672.
8. Orringer JS, Hammerberg C, Hamilton T, Johnson TM, Kang S, Sachs DL, Fisher GJ, Voorhees JJ (2008) Molecular effects of photodynamic therapy for photoaging. Arch Dermatol 144: 1296-1302.
9. Zelickson BD, Kist D, Bernstein E, Brown DB, Ksenzenko S, Burns J, Kilmer S, Mehregan D, Pope K (2004) Histological and ultrastructural evaluation of the effects of a radiofrequency-based nonablative dermal remodeling device. A pilot study. Arch Dermatol 140: 204-209.
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