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Kontroversen in der ästhetischen Medizin: Die Rahmenbedingungen 5: Die Bedeutung von Prävention und Postvention für die Zukunft der Ästhetik

Controversies in aesthetic medicine The frame conditions 5: the importance of prevention and postvention for the future of aesthetics

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Schlüsselworte

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Summary

During the last decade the term “prevention” has become very popular. And doen’t it sound very good to prevent instead of to cure? Today the topic is discussed because of newer studies more critical. In particular the term “provision” has come into the focus of the public discussion. Prevention really has to make sense for the patient and not only to rehabilitate the financial situation of public clinics.Nevertheless prevention can make sense. In aesthetic medicine it only played a minor role until now. This part of our article series will present a new perspective for aestheticians concerning the topic maintanance/ preservation.

Zusammenfassung

In den letzten 10 Jahren ist der Begriff Prävention stark in Mode gekommen. Es klingt ja auch zunächst gut, wenn man Vorbeugen kann statt Heilen muss. Jetzt beginnt man auch durch neuere Studien bedingt die Grenzen der Präventionsmedizin zu erkennen, insbesondere ist hier die Vorsorge in den Fokus gerückt, wie sicherlich alle Leser zur Kenntnis genommen haben. Prävention muss also wirklich Sinn machen und nicht ausschließlich der Sanierung der Konten dienen. Dennoch macht Prävention natürlich in vielen Bereichen Sinn. In der Ästhetik spielte sie bis heute lediglich eine untergeordnete Rolle. Dieser Teil der Artikelserie soll allen ästhetischen Medizinern eine Perspektive aufzeigen, warum die Erhaltung zukünftig in der Ästhetik eine größere Bedeutung.


Dirk Brandl1, Gisela Funke2, Wolfgang Philipp-Dormston3

 

1 Sprecher Globalhealth Academy for Aesthetic Medicine
2 Fachärztin für Dermatologie
3 Facharzt für Dermatologie, Direktor Hautzentrum Köln

Die Bedeutung der Prävention in der aktuellen Ästhetik

Bislang wurde das Thema Prävention in der Ästhetik oft stiefmütterlich behandelt. Der Begriff der Prävention wurde leichtfertig nicht evidenz-basiert verwendet. Kleine universitäre Gruppen publizieren seit Jahrzenten weltweit Studien zu dermatokosmetischen Wirkstoffen. Die Erhaltungstherapie ist nach der Verbesserung eines Zustandes aber immer schon Teil der Ästhetik gewesen. Zum Beispiel die kontinuierliche Behandlung mit Botulinumtoxin A (BTX) oder Fillern. Hintergrund für diese Marginalisierung ist die im 2. Artikel beschriebene Philosophie der auf Zustände orientierten Behandlung. Im 3. Artikel wurde der neue Ansatz, die Kompositorische Ästhetik beschrieben, die auf die ästhetische Begleitung des Alterungsprozesses abhebt, also prozess- statt statusorientiert ist. Diese muss zwangsläufig davon ausgehen, dass nicht irgendwann ein Zustand erreicht wird, der ästhetische Begleitung initiiert.

 

 

Im Gegenteil: Da die Beschaffenheit des Großorgans Haut sich jeden Tag verändert, ist hier der prozessorientierte Ansatz als vorteilhaft anzusehen. Wir gehen deshalb davon aus, dass die Prävention dazu dienen wird, den Alterungsprozess (hier: der Haut) zu verlangsamen. Hier kreuzen sich die Wege von Ästhetik, Kosmetik und Anti Aging Medizin. Die Prävention hat es in der Ästhetik besonders schwer. Im Gegensatz zur Behandlung eines veränderten Hautbildes soll mit der Prävention ein guter Hautzustand noch länger erhalten bleiben. Ästhetisch orientierte Patienten sind jedoch an Ergebnissen interessiert, die eine rasche Verbesserung zeigen müssen. Der behandelnde Arzt bedarf zusätzlicher Argumente sowie der Motivation, sich mit dem Patienten in einen Überzeugungsprozess zu begeben. Vorteil der Präventionsbehandlung könnte sein, ästhetisch sensible Patienten vom neuen präventiven Behandlungskonzept zu überzeugen und sie hierdurch auch an die Praxis zu binden. Wie ein solcher Überzeugungsprozess aussehen könnte, ist auch Gegenstand dieses Artikels.

 

Begriffsbestimmung

Ausgehend von unserer theoretischen Prämisse, dass der ästhetische Mediziner einen Prozess begleitet, erscheint es sinnvoll, Klarheit über die Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Erhaltung und Prävention zu gewinnen.

 

 

Betrachten wir den jeweiligen Hautstatus, dann ist zu konstatieren, dass wir es in jedem Fall mit dem Thema Erhaltung zu tun haben. Erhaltung ist mithin als übergeordneter Begriff zu erstehen, der zwei unterschiedliche Etappen eines Prozesses umfasst:

 

 

Etappe 1: Der Hautzustand eines Patienten ist so beschaffen, dass keine ästhetischen Interventionen notwendig sind. Eine Verbesserung des Aussehens ist nicht erforderlich. Eine ästhetische Behandlung hat bisher nicht stattgefunden. Die Erhaltung wird hier als präventive Behandlung verstanden mit dem Ziel, eine ästhetische Behandlung möglichst lange auf der Altersskala hinauszuschieben. Diese Behandlungsform wollen wir zukünftig als Prävention bezeichnen, also als vorbeugende Maßnahme.

 

 

Etappe 2: Hier sind bereits sichtbare Veränderungen des Hautzustands oder der Kontur eingetreten, die eine ästhetische Behandlung erforderlich gemacht haben. In diesem Fall dient die Erhaltung nicht dem ursprünglichen, sondern dem ästhetisch behandelten Zustand. Diese Behandlung wollen wir zukünftig mit Postvention bezeichnen. Hier sollen erforderliche therapeutische Maßnahmen bezeichnet werden die den Hautalterungsprozess verlangsamen.

Hautalterung und Falten

Die Haut als unser größtes Organ mit einem komplexen Aufbau hat vielfältige Austauschprozesse des Körpers mit seiner Umwelt zu regulieren. Sie garantiert die Stabilität des Organismus. Sie stellt somit ein durchlässiges und zugleich festes Gebilde dar. Die Zellmembran stellt auf zellulärer Ebene eine ähnliche funktionelle Einheit dar. Der Austausch zwischen Zelle und Milieu wird durch Proteine gesteuert und unterliegt altersbedingten Veränderungsprozessen.

 

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Auch bei der Haut sind starke Veränderungsprozesse zu beobachten. Nehmen wir als Beispiel nur den Hyaluronananteil bei Babies und alten Menschen, der sich gravierend unterscheidet. Im Alter von 50 Jahren haben wir ca. 50 % des Hyaluronans bereits verloren. Ab dem 60. Lebensjahr sinkt der Anteil nochmals extrem. Der Abnahme von Hyaluronan kann präventiv bislang nicht vorgebeugt werden. Andere Prozesse lassen sich durchaus pr.ventiv behandeln. Hier handelt es sich vor allem um den Einfluss der Freien Radikale auf die Haut sowie weitere an der extrinsischen Hautalterung beteiligte Umwelteinflüsse wie UV Strahlung etc.

 

Brandl-Abb-2-KM-5-14Prävention und Behandlung

Die dermatologische Hautbehandlung ist in der Regel lokal und nicht systemisch angelegt. In der lokalen Prävention haben sich bislang auch die wichtigsten Entwicklungen vollzogen. Wir möchten 4 Gruppen beschreiben, die einen Einfluss auf lokale Prävention haben sowie eine Gruppe, die eine systemische Prävention denkbar erscheinen lässt:

 

 

Gruppe 1: Topisch anwendbare Cosmeceuticals

Hier sind in den vergangenen 10 Jahren die meisten Studien durchgeführt worden. Alle eingesetzten Wirkstoffe haben vor allem die Funktion einer längeren Erhaltung eines guten Hautstatus. Zu diskutieren ist in diesem Zusammenhang natürlich die Problematik der Einschleusung durch die Hautbarriere und damit die Verringerung der Wirksamkeit. Hier haben sich in den letzten Jahren entscheidende innovative Entwicklungen vollzogen. Die Entwicklung neuer Liposome und der Nano-Transport Systeme kann dazu führen, dass künftig weitere non invasive Möglichkeiten für die Ästhetik zur Verfügung stehen.

 

Gruppe 2: Neue Einschleusungsverfahren

Die Kombinationsbehandlung topisch anwendbarer Wirkstoffe wie Cosmeceuticals sowie mesotherapeutischer Materialien mit neuen Einschleusungsverfahren wie Needling, JetPeel oder Microporation hat sich als wirkungssteigernd erwiesen. Die Wirkstoffe werden durch die Öffnung der Hautbarriere besser in tiefere Hautschichten eingeschleust. Da diese Verfahren erst in den letzten 5–10 Jahren entwickelt wurden, ist hier die Studienlage deutlich schlechter.

 

Gruppe 3: Injectables für die Einschleusung durch mesotherapeutische Verfahren

Die Wirkstoffe werden direkt an den Wirkort injiziert. Ein topisches Auftragen und überwinden der Hautbarriere ist nicht mehr erforderlich. An erster Stelle bei der Prävention sind hier Vitamine und andere antioxidative Wirkstoffe zu nennen. Die Zuführung von Vitaminen in die Haut könnte die Widerstandsfähigkeit gegen Umwelteinflüsse erhöhen und deshalb zur Verlängerung eines gesunden Hautbildes beitragen. Dies ist logisch, aber bislang wissenschaftlich nicht verifiziert. Das Problem des Rückgangs von Hyaluronan ist damit nur bedingt über Filler zu lösen.

 

Gruppe 4: BTX A zur Vermeidung des Aufkommens mimischer Gesichtsfalten

Hier gibt es bislang bei ästhetisch tätigen Medizinern die meisten Erfahrungen. BTX A wird in geringen Dosen injiziert und verhindert so die Ausbildung dynamischer Falten. Die Studienlage ist allerdings auch hier mehr als mäßig. Umfangreiche Untersuchungen mit einer Kontrollgruppe, die eine lange zeitliche Distanz überblicken, sind nur mit einem hohen finanziellen Aufwand durchführbar.

 

Gruppe 5: Systemische Prävention

Neben diesen lokalen Behandlungen sind durchaus auch systemische Behandlungen zur Prävention und Erhaltung der Haut denkbar. Hier ist eine intensivere Beschäftigung sicherlich sinnvoll. Das Potential der systemischen Therapie wird bislang nicht oder nur von wenigen genutzt. Die Schwierigkeit des studienunterlegten Beweises ist auch hier nicht von der Hand zu weisen. Beispielhaft sollen hier zwei Substanzen benannt werden die unterschiedliche Ziele haben:

 

 

  • Hochdosiertes Vitamin C kann die Neubildung von Collagen anregen.
  • Hochgereinigtes Phosphatidylcholin kann die Zellmembran der Hautzellen flexibler und damit durchlässiger machen.

 

Dies führt zu einer Verbesserung vieler mit der Hautvitalisierung assoziierter Prozesse.

 

Hautalterungsprozess und strategische Präventionsbehandlung

Die Schnelligkeit von Hautalterungsprozessen ist von vielen Faktoren abhängig. Zu nennen wären hier: Ernährungsverhalten, Nikotin- und Alkoholkonsum, kontinuierliche Aufenthalte in der Sonne oder auf der Sonnenbank, aber auch genetische Faktoren.

 

 

Mindestens 80 % der sichtbaren Hautalterung sind bedingt durch extrinsische Faktoren. Ultraviolette und infrarote Anteile des Lichtes sind vorrangig verantwortlich für wahrnehmbare Hautveränderungen. Für jeden Patienten ist eine individuelle Bestimmung des Hautstatus sinnvoll, um die entsprechenden präventiven Maßnahmen festlegen zu können.

 

 

Ausgehend von objektiv messbaren Parametern lassen sich die 5 beschriebenen Gruppen entsprechend dem aktuellen Hautstatus optimal einsetzen. Das von Dermatokosmetikern [1] für die Gruppe 1 vorgeschlagene individuelle Behandlungskonzept kann hier nur unterstützt werden. Das Behandlungskonzept besteht aus 3 Stufen.

 

 

  • Stufe 1: Objektivierung/Bestimmung des individuellen Hautzustands;
  • Stufe 2: Hautalterungs-Check zur Bestimmung des Hautalterungstyps und -stadium;
  • Stufe 3: Individueller Behandlungsplan für minimalst-invasive Verfahren dermatokosmetischer Wirkstoffe.

 

 

Die Behandlungsziele dermatokosmetischer Wirkstoffe sind dabei wie folgt zu definieren:

 

 

  • Stabilisierung der Hautbarriere
  • hohe antioxidative Kapazit.t
  • Anregung der Fibroblastenaktivit.t
  • Förderung einer gleichmäßigen Pigmentierung [2]

 

 

Im Artikel 3 dieser Serie [3] wird der Interventionsgrad als eine logische Hierarchie möglicher Behandlungskonzepte beschrieben. Dies liefert eine systematische und praktische Hilfe für die Anwendung der kompositorischen Ästhetik. Das gleiche gilt auch für die Prävention.

 

 

Die Gruppen 1–4 liefern minimalst invasive Interventionsmuster, wobei die Ziele durch den individuellen Behandlungsplan nach objektiv messbaren Kriterien vorgegeben werden. Will der ästhetisch behandelnde Mediziner eine Abteilung für Kosmetik in seiner Praxis einbauen, oder mit ihr assoziieren, muss sich diese Abteilung zwangsläufig von den vielen Kosmetikstudios absetzen. Die Besonderheiten der Dermatokosmetik in der ästhetischen Praxis können wie folgt definiert werden:

 

 

  1. Cosmeceuticals als Wirkstoffe einzusetzen ist nur der medizinischen Praxis vorbehalten. Sie enthalten Wirkstoffe in höherer Konzentration als in normalen Kosmetikprodukten. Eine wissenschaftlich exakte Erforschung der Wirkstoffe ist notwendig.
  2. Die Kosmetik kann zusätzlich vielfältige Aufgaben für die normale Dermatologie übernehmen wie Nagel- oder Fußbehandlungen, die nichts mit der Ästhetik zu tun haben.
  3. Schließlich kann die Kosmetik zur Installierung der Kompositorischen Ästhetik beitragen, indem sie in dem Behandlungsablauf wie in Artikel 44 beschrieben vom behandelnden Arzt vorgegebene Aufgaben der Vor- und Nachbehandlung übernimmt.

 

Kosmetische Abteilungen arbeiten dann wirtschaftlich erfolgreich, wenn eine ästhetische Praxis für kompositorische Ästhetik gegründet oder in eine Kassenpraxis als separate Einheit integriert wurde. Unbedingt erforderlich ist dabei, dass die kosmetische Einheit rechtlich in der Lage ist, die Wirkstoffe selbst zu verkaufen. Der Aufwand rechnet sich ansonsten nicht. Kosmetische Einheiten müssen immer auch als separate Einheiten wirtschaftlich erfolgreich agieren.

 

Postvention

Postventive Maßnahmen geh.ren aufgrund der Behandlungsstrukturen seit langem zum ästhetischen Alltag. Insbesondere Behandlungen mit BTX A und Hyaluronsäure Fillern, aber auch mesotherapeutische Behandlungen sind ohne eine Erhaltungstherapie sinnlos.

 

 

Dennoch sollte die Frage aufgeworfen werden, ob weitere Erhaltungsmaßnahmen dazu dienen könnten, die Verlängerung ästhetischer Ergebnisse gleich welchen Interventionsgrades zu bewirken. Eine andere Aufgabe sinnvoll eingebauter Cosmeceuticals kann die Verringerung von auftretenden Nebenwirkungen und die Beschleunigung von Heilungsprozessen, etwa beim Needling, sein. Neben den bereits erwähnten Cosmeceuticals, deren Einsatz auch postventiv sinnvoll ist, sollten abgestimmt auf die jeweilige therapeutische Maßnahme Behandlungsregimes für die Erhaltung kosmetischer Interventionen entwickelt werden. Dies ist bislang selten der Fall.

 

Schlussfolgerungen

Erhaltung mit seinen beiden Komponenten Prävention und Postvention wird in der zukünftigen ästhetischen Praxis eine zunehmende Bedeutung erlangen. Will man die Kompositorische Ästhetik in die ästhetische Praxis einführen, ist die Patientenaufklärung – insbesondere jüngerer Patienten – über Hautalterungsvorgänge und ihre Vermeidung unumgänglich und sinnvoll.

 

 

Die hier aufgezeigten Möglichkeiten der Prävention sind ein erster Anfang. Weitere prä- und postventive Optionen, beispielsweise systemische Maßnahmen, werden in den kommenden Jahren dazu beitragen, das Thema Prävention noch präsenter in den Köpfen der Generation Nachhaltigkeit zu verankern.

 

 

Korrespondenz-Adresse

Dipl.-Ing. Dirk Brandl
Mühlenstraße 19
D-48317 Drensteinfurt
brandl@network-globalhealth.com

Literatur

1. Kerscher M, Williams S (2004, 2009) Dermatokosmetik. Steinkopff Verlag, ISBN 978-3-7985-1546-8
2. Vortrag Prof. Martina Kerscher, Globalhealth Academy Mallorca, Juni 2013
3. Brandl D, Weidmann M, Gruebmeyer H (2014) Kontroversen der Ästhetischen Medizin – Die Rahmenbedingungen 3: Ästhetik als Behandlungsmodell. Kosm Med 35: 122 – 127.
4. Brandl D, Steinert M (2014) Kontroversen der Ästhetischen Medizin - Die Rahmenbedingungen 4: Die ästhetische Praxis – von der Einzelbehandlung zum Wohlfühlerlebnis. Kosm Med 35: 184 – 189.

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