Originalie

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Kontroversen in der ästhetischen Medizin Die Rahmenbedingungen: 3. Ästhetik als Behandlungsmodell – Die Kompositorische Ästhetik

Controversies in aesthetic medicine The frame conditions: 3. Aesthetics as a treatment model – compositional aesthetics

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Schlüsselworte

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Summary

In part 1 of our series we described the historical change of the meaning of aesthetics in our society. The second part covered the developments that were initiated through the growing prevalence of minimal invasive aesthetic procedures, which requires a new philosophic orientation in aesthetics. In part 3 we deal with the historical development of aesthetic medicine as a whole and its range of treatments as well. The reason behind is to come to findings about the challenges aesthetic medicine will be confronted with in the future. Simultaneously we would propose a new quality of the physician-patient relationship which we like to denote as „Compositional Aesthetics“. Starting from the assumption that aesthetic medicine will move towards more and more minimal invasive treatment options we suggest a change of the up-to-date treatment model and education influenced by companies. The new model has to be focused on the aging process of the patient. We would like to call this new model with the term „Compositional Aesthetics“.

Zusammenfassung

Im ersten Teil dieser Artikelserie sind wir auf die historische Veränderung der Bedeutung der Ästhetik in unserer Gesellschaft eingegangen. Der zweite Teil behandelte Entwicklungen, die durch die stärkere Verbreitung minimal invasiver ästhetischer Verfahren initiiert wurden und deshalb eine neue philosophische Orientierung der Ästhetik erfordern. Im dritten Artikel geht es darum, dass wir uns mit der historischen Entwicklung der ästhetischen Medizin selbst und der Entwicklung ihres Behandlungsspektrums beschäftigen wollen, um daraus Erkenntnisse über die Herausforderungen zu gewinnen, die die Ästhetik zukünftig zu bewältigen haben wird. Gleichzeitig erscheint es uns sinnvoll, eine neue Qualität der Arzt-Patienten Beziehung und damit ein neues Behandlungsmodell vorzuschlagen, das wir zukünftig „Kompositorische Ästhetik“ nennen wollen. Ausgehend von der durch die historische Entwicklung gestützten Annahme, dass sich die ästhetische Medizin zunehmend in Richtung Minimalinvasivität bewegt, wird ein verändertes Behandlungs- und Ausbildungsmodell vorgeschlagen, dass sich auf eine ästhetische prozessorientierte Begleitung des Alterungsprozesses der Patienten bezieht. Dieses wollen wir zukünftig mit dem Begriff „Kompositorische Ästhetik“ bezeichnen.


Die historische Entwicklung der ästhetischen Medizin

Gehen wir zurück auf die modernen Anfänge der ästhetischen Medizin, etwa 30 bis 40 Jahre, dann sehen wir, dass zu Beginn der Entstehung dieses Behandlungsspektrums ausschließlich operative Verfahren zur Verfügung standen, zu denen es keine schonenderen Alternativen gab.

 

Findige Mediziner und Entwickler haben die Ästhetik verändert, und diese Transformation findet noch immer statt. Vielfältige Einflüsse auch anderer medizinischer Disziplinen wurden integriert und neue Therapieformen entwickelten sich kontinuierlich. Die Behandlung von Spastikern mit Botulinumtoxin A wurde übertragen auf die gesamte Muskulatur auch gesunder Patienten, flexiblere Implantate führten zu neuen Techniken der Auffüllung von Volumen und Falten mit Fillern, interessante Wirkstoffe im Einsatz der Behandlung und Prävention von Fettembolien haben die Injektions-Lipolyse entstehen lassen, und neue therapeutische Ansätze zur Schmerztherapie führten zur Behandlung der Hautoberfläche mit Mesotherapie.

 

Neben diesen injizierbaren Substanzen waren Firmen sehr aktiv, die der Gerätemedizin neue Technologien zur Verfügung stellten, welche einen Einfluss auf viele Indikationen hatten, die zuvor – wenn überhaupt – nur operativ behandelt werden konnten, z.B. Hautstraffung, Hautoberflächentherapien, Haarentfernung oder Behandlung von Hautunregelmäßigkeiten. An erster Stelle ist hier der Einzug der Laser in die ästhetische Medizin zu nennen.

 

Die von I. Kruglikov [1–8] zu Recht in Frage gestellten theoretischen Grundlagen vieler Verfahren sollten nicht dazu herangezogen werden, die moderne Gerätemedizin zu verteufeln. Allerdings sind Wissenschaftler, Mediziner und die Entwickler in den Firmen aufgerufen, ihre theoretischen Gerüste wenn notwendig neu zu justieren, manchmal ihre Behandlungsprotokolle zu ändern und nicht über vermeintliche Studien und unbefriedigende theoretische Wirkungsmodelle, die keine große Validität haben, ihre Geräte an den Arzt zu bringen.

 

Natürlich gehören aktuell operative Verfahren zum Indikationsspektrum der ästhetischen Medizin und dies wird sicherlich auch so bleiben, wobei die Tendenz zu minimal invasiven chirurgischen Techniken zunimmt. Auch minimal invasive Verfahren dringen heute bereits in operative Bastionen ein, die eigentlich für uneinnehmbar gehalten wurden.

 

Ein Beispiel

Der Macrolane Filler von Restylane zum Brustaufbau war – obwohl nicht sehr erfolgreich und mittlerweile für diese Indikation nicht mehr einsetzbar – ein erster Hinweis für mögliche Veränderungen der bisherigen Augmentationsverfahren. Viele Universit.ten, darunter z.B. die Plastischen Chirurgen der Universität Regensburg, forschen daran, mit Eigenfett und Stammzellen Brustaufbauten durchzuführen. Diese Entwicklung ist, wie gesagt, nur der Anfang, nicht das Ende weiterer Veränderungen, die in den kommenden Jahren zu schonenderen Alternativen führen könnten.

 

Einzelbehandlung versus prozessbegleitende Ästhetik

Die im letzten Artikel angesprochene Veränderung von der Erreichung eines Zustands hin zur altersbegleitenden prozessualen Ästhetik wird heute bereits von einigen ästhetischen Medizinern durchgeführt. Parallel dazu existiert nach wie vor in großer Zahl die Einzelbehandlung. Beide Herangehensweisen an die Ästhetik werden über einen langen Zeitraum nebeneinander bestehen.

 

Es gibt nach wie vor viele Patienten, die damit zufrieden sind, ab und zu die mimischen Gesichtsfalten durch Botulinum Toxin A zu glätten. Wenn sie damit zufrieden sind, will niemand etwas an dieser Dienstleistung des Arztes ändern.

 

Gleichzeitig kann es so erscheinen, als wenn die prozessorientierte Begleitung einen nicht zu erbringenden Zeitaufwand der medizinisch-ästhetischen Praxis darstellt und damit auch unbezahlbar ist. Sicher, bei einem neuen Patienten ist ein höherer Zeiteinsatz erforderlich.

 

Sehr plakativ soll hier ein Beispiel durchgespielt werden:

Für das erste Gespräch nimmt sich der beratende Arzt soviel Zeit, wie er benötigt, um zunächst die Wünsche und Probleme seines neuen Patienten kennenzulernen. Wenn er Klarheit über diese Wünsche gewonnen hat, ist in einem nächsten Schritt sein ästhetisch-medizinisches Wissen gefragt. Er sieht, was die Veränderung des den Patienten störenden Details bewirkt und was er dadurch nicht erreicht. Wenn die Veränderung nicht ausreicht, um den Patienten wirklich zufrieden zu stellen, muss er deshalb den Patienten sehr behutsam auf weitere Möglichkeiten hinweisen, die von ihm gewünschte Verbesserung seines äußeren Erscheinungsbildes zu erreichen. Wird Übereinstimmung zwischen Patient und Arzt erzielt, gehört bereits in die erste Sitzung eine vollständige Fotodokumentation des unbehandelten Ist-Zustandes sowie ein zeitlich abgestimmter Behandlungsvorschlag, der wenn möglich natürlich mit der Behandlung beginnt, die vom Patienten vorrangig gewünscht wird. Ist dies unmöglich, muss der Arzt sein verändertes Behandlungsregime mit dem Patienten abstimmen.

 

Welche Aspekte sollte ein solcher Behandlungsplan in jedem Fall beinhalten? In einem ersten Schritt sollten alle ästhetischen Möglichkeiten dazu eingesetzt werden, die äußere Erscheinung zu verbessern. Ist die Verbesserung erreicht, richtet sich das Augenmerk auf die Erhaltung. Bis zur gemeinsam mit dem Patienten zu erarbeitenden Erstellung des Behandlungsplanes ist sicher bei vielen Patienten eine Stunde, manchmal sogar noch mehr notwendig. Ist er aber erst einmal erstellt, handelt es sich nur noch um die Umsetzung des Planes. Höchstens alle 2 Jahre sollte dann in einem weiteren Gespräch überprüft werden, ob durch den Alterungsprozess bedingt weitere Behandlungen notwendig werden, etwa wenn Fettkompartimente stark abzusinken beginnen und damit die Gesichtsausstrahlung verändern. Insofern ist der zusätzliche Zeitaufwand überschaubar.

 

Die kompositorische Ästhetik

Eine weitere Anforderung an den ästhetisch arbeitenden Mediziner ist bei Übernahme der oben beschriebenen Philosophie, dass er nicht länger einfach nur 1 oder 2 ästhetische Behandlungen anbieten kann. Er muss in der Lage sein, mindestens folgende unterschiedliche Aspekte zu behandeln, wenn auch nicht mit allen theoretisch möglichen Therapieoptionen:

 

  • Hautoberfläche (Struktur, Textur, Teint)
  • Hautveränderungen (z.B. Altersflecken)
  • Falten (mimische, nichtmimische, aktinische, extrinsische …)
  • Volumenauffüllung
  • Reduktion

 

Unabhängig davon, welche konkrete Therapie eingesetzt wird, diese 5 Aspekte sind notwendig, um die neue Art der Arzt-Patienten Beziehung und die damit einhergehenden Behandlungen durchführen zu können.

 

Auch hier soll einschränkend hinzugefügt werden, dass nicht jeder ästhetisch arbeitende Mediziner alle Behandlungsmöglichkeiten selbst durchführen muss. Dazu sind ja Vernetzung und Kooperation auch verschiedener Fachrichtungen möglich und sinnvoll. Die operativen Behandlungen gehören in die Dom.ne operativ tätiger, in der Ästhetik ausgebildeter Kollegen (Plastische Chirurgie, Dermatochirurgie, Gynäkologie, und HNO mit Zusatzbezeichnung plastische Operationen), minimal invasivere Verfahren sind von einer größeren Gruppe

 

Wichtig ist in jedem Fall, dass der Arzt, kann er die notwendige Behandlung nicht selbst durchführen, mit Kollegen kooperiert, die die Intervention in seinem Sinne durchführen und gleichzeitig den Patienten in seiner Obhut belassen.

Um diese neue Art der Behandlung von der Einzel-Indikations-Behandlung abzusetzen, schlagen wir den Begriff der Kompositorischen Ästhetik vor. Mit diesem Begriff wollen wir zukünftig die ästhetische Begleitung des Alterungsprozesses belegen.

 

Wir sehen in der Kompositorischen Ästhetik zwei neue Behandlungstendenzen, die wir kurz beschreiben wollen:

 

Tendenz 1

Zur Komposition z.B. eines Gesichtes werden in einem Behandlungsregime mehrere zu behandelnde Indikationen zusammengefasst.

 

In Abb. 1 sehen Sie die Behandlung mit Filler, BTX, Injektions- Lipolyse und MesoLift. Bei dieser Kompositionsbehandlung muss unbedingt die zeitliche Abfolge der Therapien berücksichtigt werden. Mit was wird begonnen, was kann gleichzeitig behandelt werden und was wird nacheinander behandelt? Im dargestellten

Fall wurde mit der Reduktion der Hängebäckchen begonnen. Parallel fanden mehrere MesoLift Behandlungen statt, um die Hautstruktur zu verbessern. Auch die Behandlung mit Botulinum Toxin A konnte im oberen Gesichtsbereich bereits begonnen werden. Erst nach Abschluss der Lipolyse wurde mit der Augmentation und der Behandlung mit BTX im unteren Gesichtsbereich begonnen.

 

Tendenz 2

Die zweite Tendenz der Kompositorischen Ästhetik betrifft die Optimierung der Behandlung einer einzigen Indikation durch Kombinationsbehandlung mit mehreren Verfahren. Diese Optimierung kann eine Ergebnisverbesserung erzeugen oder aber die Nebenwirkungen reduzieren.

 

Auch hier ein Beispiel aus der Praxis des NETZWERK-Lipolyse:

Den Mitgliedern waren die bei der Lipolyse auftretenden Nebenwirkungen zu hoch. Einige schmerzempfindliche Patienten haben die Therapie abgebrochen, was dazu führte, dass innerhalb des Netzwerks eine breite Diskussion einsetzte, wie die Nebenwirkungen (starke Schwellung, Rötung, Schmerzen, Hämatome, Hitze) vor, während und nach der Behandlung zu beeinflussen sind, um die Patientenakzeptanz zu erh.hen ohne das Ergebnis zu schmälern. Resultat dieses Diskussionsprozesses war die Entwicklung des PSM – Pain und Side Effect Managements, das aus mehreren verschiedenen Bausteinen besteht. Die Patientenakzeptanz ist nach der Einführung des PSM erheblich gestiegen.

In einem weiteren Schritt untersuchten wir die Möglichkeiten der Kombination des therapeutischen LDM Ultraschalls mit der Lipolyse mit dem Ergebnis, dass sich die Nebenwirkungen weiter reduzieren lassen und sogar noch die Wirkung gesteigert wird [9].

 

Systematisierung der Kompositorischen Ästhetik

Wir wollen zur besseren Diagnostik und einer verbesserten Herangehensweise an die kompositorische Ästhetik nun einen ersten Versuch eines vollständigen systematisierten Aufbaus vorschlagen. Uns ist dabei bewusst, dass diese Systematisierung viele weitere Aspekte einschließen sollte und auch kontinuierlich weiterentwickelt werden muss, wenn im Portfolio des ästhetisch arbeitenden Mediziners neue innovative Therapieoptionen auftauchen.

 

Kompendium 1: Der Patient

Letztlich bestimmt der Patient das Behandlungsregime. Dabei sind folgende Aspekte im Patientengespr.ch durch den Arzt zu erfragen:

 

Welche Erwartungen hat der Patient an die ästhetische(n) Intervention(en)? Patienten mit überzogenen Erwartungen sollten dazu angeregt werden, beispielsweise durch realistische Vorher-Nachher Bilder, ihre Erwartungen zu überdenken und mit den vorhandenen Möglichkeiten in Kongruenz zu bringen. Ohne die Herstellung dieser Kongruenz sollte die Behandlung nicht begonnen werden. Hier beginnt die eigentliche Beratung.

 

Insbesondere ist darauf hinzuweisen, dass – wie bereits mehrfach in der Artikelserie betont – das Verhältnis Arzt-Patient einem Wandel unterliegt. Bei Patienten herrscht immer noch die Mentalität vor, möglichst schnell umfassend ästhetisch verändert zu werden. Um diese Mentalität zu ändern ist eine Kommunikation mit dem Patienten notwendig, die auch eine Herausforderung an den Arzt darstellt.

 

Die Erwartungshaltung des Patienten ist deshalb besonders wichtig, weil insbesondere Patienten mit Dysmorphophobie Syndrom davor bewahrt werden müssen, weitere Behandlungen an sich durchführen zu lassen. Diese Patienten gehören in die Hände eines erfahrenen Psychologen, der zunächst das Syndrom behandeln muss, bevor ästhetische Veränderungen durchgeführt werden können. Ohne eine Lösung des psychischen Problems kann keine körperliche Intervention den Patienten zufrieden stellen. Eine weitere Problematik zeigen Patienten, die eine vollständige Veränderung ihrer Persönlichkeit (Barbie) anstreben.

 

Auch für diese Patienten gilt, dass vor jeglicher Intervention eine psychologische Betreuung notwendig erscheint.

 

Welchen Grad der Invasivität kann der Patient akzeptieren? Es gibt bislang nur die Unterscheidung von operativ und minimal invasiv. Mit diesen beiden Möglichkeiten gehen 2 Aspekte einher, über die der Patient aufgeklärt werden sollte: Einmalige Intervention operativ gegen mehrmalige Intervention minimal invasiv sowie schnellere Veränderung operativ gegen langsamere Veränderung minimal invasiv des Äußeren Erscheinungsbildes. Auch die Unterschiede der Resultate sollten klar herausgearbeitet werden.

 

Die Erarbeitung und Differenzierung eines hierarchisch aufgebauten Interventionsgrades ist auch Gegenstand dieses Artikels, denn ohne diese differenziertere Bewertung ist die kompositorische Ästhetik nur ein Marketinggag.

Über welche finanziellen Möglichkeiten verfügt der Patient? Auch diese Frage ist von entscheidender Bedeutung für die Aufstellung eines Behandlungsplanes. Nicht alles, was sinnvoll ist, lässt sich von jedem Patienten realisieren. In diesem Fall sollte dem Patienten ein realistisch machbares Paket angeboten werden verbunden mit dem Hinweis, dass einige wichtige Möglichkeiten unberücksichtigt bleiben müssen. Letztlich sollte dann der Patient seine Prioritäten festlegen.

 

Kompendium 2: Der Interventionsgrad in Abhängigkeit von der Invasivität

 

Wir schlagen vor, den Begriff Interventionsgrad zur Benennung der differenzierten Beurteilung einer ästhetischen Intervention neu einzuführen. Die Begriffsbildung wird deshalb notwendig, weil die beiden Begriffe „operativ“ und „minimal invasiv“ die Realität nicht mehr adäquat widerzuspiegeln vermögen. Der Interventionsgrad sollte von uns deshalb unbedingt weiter differenziert werden. Diese Differenzierung ist partiell auch für die Entscheidungsfindung des Patienten von Bedeutung. Sie ist in jedem Fall wichtig für den behandelnden Arzt, um dem Patienten einen angemessenen Behandlungsvorschlag unterbreiten zu können, der seiner ethischen Entscheidung zu größtmöglicher Minimalinvasivität entspricht.

 

Diese Differenzierung sollte auf Basis von vier Kriterien getroffen werden: Nebenwirkungen, Reversibilität von Behandlungsfehlern oder Komplikationen, Komplikationsrate/Risikoprofil und Schwere der potentiellen Komplikationen im schlimmsten Fall. Als fünftes ergänzendes Kriterium sollte die Studien- und Publikationssituation mit einfließen. Natürlich liegen bislang für diese hier gelisteten Kriterien keine umfassenden Statistiken vor, eine der Forderungen insbesondere an ästhetisch wirkende Verbände und Gesellschaften, um ihre gesellschaftliche Akzeptanz zu erhöhen. Interventionsgrad und Wirkung (Ergebnis) sollten unbedingt in Relation zueinander gesetzt werden.

 

Wichtig ist für uns bei diesem 2. Kompendium, dass für den behandelnden Arzt neben den Wünschen des Patienten auch sein eigener Anspruch die Entscheidungsfindung beeinflusst. Wenn wir dem Theorem folgen wollen, dass immer dasjenige Verfahren zum Einsatz kommen sollte, welches die geringste Invasivität bei gleichbleibender Ergebnisqualität benötigt, gehört diese Entscheidung auch auf die Seite des behandelnden Arztes.

 

Ärzte, die aus finanziellen Erwägungen heraus Patienten von den teuersten Behandlungen überzeugen (müssen) – und wir alle wissen, dass es solche Fälle gibt – haben in der neuen kompositorischen Ästhetik keinen Platz. Diese ist nicht kurz-, sondern mittel- und langfristig finanziell attraktiv, vielleicht sogar attraktiver als der bisherige Umgang.

 

Uns ist bewusst, dass die hier abgebildete Tabelle nur ein erster Einstieg zur hierarchischen Strukturierung der gängigsten Verfahren sein kann. Alle ästhetisch arbeitenden Ärzte sind aufgefordert zur Mitarbeit, um diese Tabelle zu ergänzen, zu korrigieren und wo möglich mit Evidenz basierten Daten, z.B. Publikationen zur Häufigkeit und den Risiken der beschriebenen Komplikationen – so vorhanden – zu unterlegen. Eine vollständigere Strukturierung und Systematisierung des Interventionsgrades kann nur das Gemeinschaftswerk vieler Kollegen sein. Die Tabelle zeigt unseren ersten Vorschlag für eine abgestuftere Differenzierung.

 

Kompendium 3: Die Qualifikation des behandelnden Mediziners

 

Die Qualifikation ist nach unserer mehr als zehnjährigen Erfahrung einer der neuralgischen Punkte, der von der .sthetischen Medizin selbst verbessert werden könnte und damit auch zur Hebung ihrer gesellschaftliche Akzeptanz beitragen würde. Die vom NETZWERK-Globalhealth gegründete Globalhealth Academy for Aesthetic Medicine und einige andere Organisationen verfolgen genau dieses Ziel.

 

Wir wollen hier kurz die neuralgischen Punkte benennen, um daraus die Idee zu entwickeln, die wir auch zukünftig – hoffentlich mit vielen Kollegen und Kooperationspartnern – verfolgen werden:

 

Nicht jeder Mediziner kann alle Verfahren erlernen. Die Notwendigkeit zur Spezialisierung ist in jedem Fall gegeben. Alle operativen Verfahren sind allein schon wegen ihres Interventionsgrades den Disziplinen vorbehalten, die bereits während des Studiums die notwendigen operativen Grundlagen lehren. Eine Vernetzung von Medizinern mit unterschiedlichen Qualifikationen ist heute bereits empfehlenswert und wird morgen zur Notwendigkeit.

 

Die weitere Fortbildung auch operativ erfahrener Kollegen in speziell auf die Ästhetik zugeschnittenen Ausbildungen wird bereits sehr gut – zu mindestens bei den plastischen Chirurgen – durchgeführt. Jede Art von schneller und oberflächlicher Ausbildung, wie sie von einigen Firmen betrieben wird, ist von allen seriös arbeitenden Kollegen abzulehnen. Eine gut durchgeführte Fettabsaugung erfordert neben einer elaborierten Technik auch ein großes Maß an Erfahrung, die nicht in einem Tageskurs zu erlangen ist.

 

Die universit.re Ausbildung der Ästhetik ist so gut wie nicht existent. Eine Ausnahme bildet der Studiengang für Laser an der Universität Greifswald. Dieses Fehlen universitärer Ausbildung ist eine der Ursachen vieler Komplikationen, die verhindert werden könnten, wenn Mediziner bereits während ihres Studiums mit den ästhetischen Verfahren konfrontiert würden.

 

Eine gute Ausbildung erfordert die Zusammenarbeit von Theorie und Praxis. Die Universitäten könnten dazu beitragen, die theoretischen Grundlagen sehr viel vertiefender zu erarbeiten, während andererseits erfahrene Praktiker ebenfalls zu einer Verbesserung des Ausbildungsstandes noch stärker als bisher beitragen könnten. Eine gute Mischung beider Bereiche w.re eine optimale Konstellation.

INTERVENTIONS-GRADVERFAHRENWIRKUNGNEBENWIRKUNGENRISIKOPROFIL**KOMPLIKATIONENREVERSIBILITÄT
operativ +++ausgedehnter operativer Eingriff

Body-Lift

Bauchdeckenplastik

Facelift

Brustreduktion / -straffung
lang anhaltende Straffung von Gesicht, Brust und Bauch
kleineres Brustvolumen
Schwellungen
Hämatome
Nachblutungen
Schmerzen
Rötungen
Inflammation*

2 - 3 Wochen

OP Narbe
höher als 10 %

Vollnarkose
Keloidbildung

Nekrosen

Nervenschäden
keine
operativ ++Brustaugmentation

Mid Facelift


Rhinoplastik
größeres Brustvolumen

Straffung mittlere Gesichtspartie

Nasenformkorrektur
NW

1 - 2 Wochen

OP Narbe
Bis 10 %

Vollnarkose
Keloidbildung

Implantatentfernung wg. Infekt
Kapselfibrose
keine
operativ +Fettabsaugung

Laserlipo

Wasserstrahllipo

Blepharoplastik



Otopexie
Full-Face CO2
Laserpeel
Fettreduktion größerer Kompartimente




Entfernung Tränensäcke und Schlupflider

angelegte Ohren
Hautglättung Gesicht
NW

3-6 Tage

OP Narbe
5-8 %

Lokalanästhesie








Vollnarkose
Keloidbildung
Konturunregelmäßigkeit Dellen
Verbrennung
keine bzw.

teilweise Verbesserung möglich
operativkleiner operativer Eingriff, z.B. Exzision Lipom, Intraläsionale Kryo-KeloidbehandlungEntfernung störender Hautveränderungen
Keloideinschmelzung
Narbenkorrekturen
NW

1 - 10 Tage

OP Narbe
5 - 10 %

Lokalanästhesie
Infektkeine
bzw. lange Dauer bis 3 Monate bei Kryo
invasiv +++begrenzte lokale Ablation CO2Laser

Phenolpeeling
Straffung mittlere Dermis und Epidermis
Entfernung von Hautveränderungen
Hautneubildung Gesicht
NW

bis zu 21 Tage
bis 10 %

Vollnarkose
Narben
persistierende Rötung
Hyperpigmentierung
Verbrennung
Infekt
keine
bzw. Verbesserung Rötung und Hyperpigmentierung durch Meso und Lumixyl Brightening Creme
invasiv ++tiefes TCA PeelingStraffung obere Dermis und EpidermisNW

bis zu 14 Tage
bis 5 %
Lokalanästhesie oder
Vollnarkose
persistierende Hautschäden und Rötungen
Hyperpigmentierung
3 Monate und mehr
invasiv +Mittleres TCA Peeling

fraktionierter CO2 Laser

Radiofrequenz

Fokussierter Ultraschall
Hautstraffung Gesicht und KörperNW

7-14 Tage
bis 3 %

Lokalanästhesie
Block
persistierende Rötung

Hyperpigmentierung
1 Monat
invasiv fraktionierter Erbium YAG Laser

fraktionierter RF

Kryo-Lipolyse
Hautoberflächen-verbesserung
Reduktion kleinerer Fettkompartimente
NW

7 Tage
bis 2 %

Lokalanästhesie
Block
Hyper- und Depigmentierung
Verbrennung
teilweise
minimal invasiv +++tiefe Filler Injektionen Gesicht

Filler für Orbita Rand (Tränenrinne) und Lippen






Farbstoff Laser, IPL und Dioden Laser

ND-YAG


Alexandrit, Diode, Nd-YAG
Volumenaugmentation











Rosazea, Teleangiektasien, Angiome
größere Angiome, Besenreiser

Epilation
NW

4-6 Tage
1 - 2 %

Lokalanästhesie
Block
Nekrose bei intravasaler Injektion

Granulombildung

auch materialabhängig



Pigmentstörungen

Verbrennungen
teilweise
2-10 Monate


nur nach Exzision vollständig




Gilt für alle hier gelisteten Laser
6-12 Monate
nicht reversibel
minimal invasiv ++ Needling
Farbstofflaser




Injektions-Lipolyse

oberflächlicher Filler
Verbesserung Hautoberfläche
Aknenarben
Brandnarben
Striae

Reduktion kleiner Fettkompartimente
NW

3 - 8 Tage
0,5 - 1 %

Lokalanästhesie
topisch
ohne Anästhesie
Hyperpigmentierung

Schorfbildung


postallerg. Reaktion
Nekrose
vollständig 3 - 6 Monate
vollständig 14 Tage

vollständig 1-3 Monate

teilweise 2 - 10 Monate
minimal invasiv + Botulinum Toxin A

leicht vernetzte HA, z.B. AcHyal

Fruchtsäurepeel
Verbesserung Hautoberfläche
Knitterfältchen
Verbesserung mimisch verursachter Falten
moderate NW

3 Tage
0,3 - 0,5 %

ohne Anästhesie
falsche oder zu starke Ausschaltung mimische Muskulatur

Hyperpigmentierung
vollständig

3 Monate
minimal invasiv MesotherapieProphylaxe, Erhaltung und Verbesserung geschädigter Hautmoderate NW

bis zu 3 Tage
unter 0,1 %

ohne Anästhesie
Hyperpigmentierung

allergische Reaktion
vollständig

6 Wochen
minimalst invasivLDM US
JetPeel
Hydrafacial
Elektroporation
moderate Verbesserung Hautoberflächegeringe lokale Reaktionenunter 0,05 %Hautirritationvollständig

3 Tage
non invasivCosmeceuticalsSchutz und Erhaltung der HautKeine lokalen oder systemischen Reaktionen000
* Schwellungen, Hämatome, Nachblutungen, Schmerzen und Inflammation können bei fast jedem Eingriff auftreten. Wir wollen deshalb nicht in jeder Spalte dieselbe Aufzählung durchführen, sondern bezeichnen diese fünf Nebenwirkungen kurz mit NW.
** Die unter Risikoprofil angegebenen Prozentzahlen sind nicht wissenschaftlich belegt, sondern eine reine Schätzung. Insofern sind sie in jedem Fall angreifbar.

Objektivität der vermittelten Inhalte ist ein anzustrebendes Ideal. Sie kann nur dann größere Bedeutung gewinnen, wenn sich viele Ärzte zur Kooperation entschließen, denn durch Konsens ergibt sich immer ein größerer Grad von Objektivität und damit Standardisierung. Einschränkend muss jedoch ergänzt werden, dass Konsens nicht dazu führen darf, Entwicklungen zu bremsen, wo diese notwendig werden. Konsens bedeutet nicht „kleinster gemeinsamer Nenner“, sondern die intensive gemeinsame Auseinandersetzung, bis ein Konsens auf hohem Niveau erreicht wird.

 

Neutralität ist ebenfalls eine notwendige Bedingung der Verbesserung ästhetischer Ausbildung. Viele Fortbildungen werden von Firmen organisiert und gesponsert. Dies ist nicht zu kritisieren, wenn neben den auf einzelne Produkte zugeschnittenen Fortbildungen solche existieren, die eine neutrale Wissensvermittlung anbieten. Dies ist – zu mindestens in der minimal invasiven Ästhetik – heute nur eingeschränkt der Fall.

 

Unsere Erfahrung zeigt, dass Firmen mit qualitativ hochwertigen Produkten bereit sind, auch eine neutrale Darstellung von Verfahren und Techniken zu unterstützen. Die aufgelisteten Schwachstellen sind nicht einfach zu lösen. Auch die Globalhealth Academy ist dazu allein nicht in der Lage, sie kann sich deshalb nur als einen der Vorreiter einer Entwicklung definieren, die alle ästhetischen Mitspieler erfassen muss. Dies sind die Fachverbände und Gesellschaften, die Universitäten, die einzelnen Mediziner, die staatlichen Institutionen, aber auch die Firmen, die in diesem Markt ihr Geld verdienen. Nur eine Kooperation vieler verschiedener Player kann dazu führen, gemeinsam definierte Ziele wie die oben diskutierten zu erreichen.

 

In der Globalhealth Academy stoßen wir vor allem an ökonomische Grenzen, denn wir können als Ärztenetzwerk preislich nicht mit gesponserten Fortbildungen konkurrieren. Unsere Vision, die auf der Philosophie einer möglichst kostenlosen Ausbildung basiert – denn diese könnte schnell zu verbesserten Qualitätsstandards führen – lässt sich nur umsetzen, wenn wir Mitstreiter gewinnen, die mit uns gemeinsam die oben beschriebenen neuralgischen Punkte lösen wollen. Diese Vision hat die Gestalt einer fächerübergreifenden universitären Ausbildung in Kompositorischer Ästhetik, die im Rahmen z.B. einer Stiftung durchgeführt werden könnte. Im Beirat einer solchen Stiftung könnten alle Gesellschaften und Fachverbände, die beteiligten Universitäten sowie die Firmen vertreten sein, die eine neutrale Ausbildung unterstützen, weil sie diese nicht fürchten müssen. Die Globalhealth Academy ist jedenfalls offen für eine solche Kooperation, weil die Zeit mehr als reif dafür ist. Unserer Meinung nach ist es besser, diese Veränderung kommt von allen gesellschaftlichen Kräften, den einzelnen Medizinern und einigen aufgeschlossenen Universitäten als dass sie von oben per Gesetz vom Staat verordnet wird wie beispielsweise in Frankreich geschehen.

 

Zusammenfassung und Schlussfolgerungen

Ausgehend von der durch die historische Entwicklung gestützten Annahme, dass sich die Ästhetische Medizin zunehmend in Richtung Minimalinvasivität bewegt, wird ein verändertes Behandlungs- und Ausbildungsmodell vorgeschlagen, dass sich auf eine ästhetische prozessorientierte Begleitung des Alterungsprozesses der Patienten bezieht. Diese wollen wir zukünftig mit dem Begriff „Kompositorische Ästhetik“ bezeichnen.

 

Um dieses neue Behandlungsmodell umzusetzen, schlagen wir eine von vielen ästhetischen Medizinern getragene Systematisierung der Bandbreite der uns zur Verfügung stehenden ästhetischen Behandlungsoptionen vor, die dazu dienen soll, den altersbegleitenden Prozess in jedem Augenblick optimal durchführen zu können.

 

Als erstes Kompendium steht dabei der Patient im Vordergrund:

 

Seine Bedürfnisse, seine Probleme und sein augenblicklicher Status bilden die Grundlage jeder ästhetischen Intervention. Das zweite Kompendium schl.gt eine bessere und detaillierte Differenzierung sowie die Einführung des Begriffes Interventionsgrad vor, weil bislang lediglich die Unterscheidung von operativ und minimal invasiv existiert.

Ein drittes Kompendium setzt an der Fortbildung ästhetisch arbeitender Mediziner an, denn Neutralität der Ausbildung und Kooperation von Institutionen, Universitäten, Organisationen und erfahrenen Praktikern (Diplom, Master) ist eine notwendige Voraussetzung zur Erhöhung der gesellschaftlichen Akzeptanz Ästhetischer Behandlungen.

Korrespondenz-Adresse

Dipl.-Ing. Dirk Brandl
Mühlenstraße 19
D-48317 Drensteinfurt
brandl@network-globalhealth.com

Literatur

1. Kruglikov I (2012) Kontroversen der Ästhetischen Medizin: 1. Inwieweit stimmen die Grundlagen? Kos Med 33: 182–191.
2. Kruglikov I (2012) Kontroversen der Ästhetischen Medizin: 2. Simplex sigillum veri der Photoepilation. Kos Med 33: 238–242.
3. Kruglikov I (2013) Kontroversen der Ästhetischen Medizin: 3. Neokollagenes: „Die unendliche Geschichte. Kos Med 34: 20–24.
4. Kruglikov I (2013) Kontroversen der Ästhetischen Medizin: 4. Enigma der Cellulite. Kos Med 34: 68–73.
5. Kruglikov I (2013) Kontroversen der Ästhetischen Medizin: 5. Body contouring – Eine einheitliche Vielfalt. Kos Med 34: 114–120.
6. Kruglikov I (2013) Kontroversen der Ästhetischen Medizin: 6. Skin Tightening Methoden – Das Märchen des Kollagenschrumpfens. Kos Med 34: 166–171.
7. Kruglikov I (2013) Kontroversen der Ästhetischen Medizin: 7. Kryolipolyse – Apoptose vs. Thermogenese. Kos Med 34: 202–207.
8. Kruglikov I (2013) Kontroversen der Ästhetischen Medizin: 8. Behandlungsschema – Das verbotene Thema. Kos Med 34: 261–265.
9. Tausch I und Kruglikov I: The benefit of supportive application of dual-frequency ultrasound in patients treated by injection lipolysis, Veröffentlichung voraussichtlich JCAD 2014

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