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Kontroversen in der Ästhetischen Medizin: 8. Behandlungsschema – Das verbotene Thema

Controversies in aesthetic medicine: 8. Treatment Schedule - The forbidden topic

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Summary

Treatment results are significantly dependent on applied treatment schedule. To provide an optimal treatment strategy, the relaxation times of most important components of extracellular matrix must be taken into account. These times have normally the scale of several minutes to several hours, seldom of days and never of weeks or months. This means the optimal treatment strategy must be based on significantly higher frequency of session as the classic treatment schedules usually applied in aesthetics. Such strategy cannot be normally realized in ambulant treatments and demands the involvement of patients into the treatment process.

Zusammenfassung

Angewendetes Behandlungsschema kann Behandlungsergebnisse stark beeinflussen. Für eine optimale Behandlung müssen die Relaxationszeiten von wichtigen Komponenten der extrazellulären Matrix berücksichtigt werden. Weil solche Zeiten normalerweise zwischen Minuten und mehreren Stunden selten aber im Bereich von Tagen und nie im Bereich von Wochen oder Monaten liegen, sollte jede physiologisch optimale Behandlungsstrategie auf einer deutlich erhöhten im Vergleich zu klassischen Abläufen Behandlungshäufigkeit aufgebaut werden. Solche Strategien können in der Regel nicht ambulant realisiert werden und die Patienten müssen konsequent in den Behandlungsprozess einbezogen werden.


Einführung

Nicht invasive Behandlungsmethoden genießen eine große Akzeptanz bei Patienten und finden darum immer größere Anwendung in der ästhetischen Medizin. Diese Methoden werden sowie bei diversen Arten der Hautbildverbesserung als auch bei Body Contouring eingesetzt, zeigen allerdings sehr variable Effektivität bei unterschiedlichen Patienten. Schuld daran ist nicht nur die potentielle „Therapieresistenz“, die fast immer mit fehlender Differenzialdiagnostik verbunden ist und in der Regel auf die Lücken in wissenschaftlichen Grundlagen und klinischen Studien zu diesen Methoden hinweist. Diese Problematik kann ganz andere Gründe haben, die mit Anwendung eines falschen Behandlungsschemas verbunden sind und oft komplett unterschätzt werden. Optimierung des Behandlungsablaufs ist in der Regel sehr zeitaufwendig und kostspielig; darum wird sie in einer absoluten Mehrheit von allen angebotenen Behandlungsmethoden schlicht und ergreifend nicht durchgeführt. Aus diesem Grunde gleichen sich oft die Behandlungsabläufe bei sogar sehr unterschiedlichen Behandlungsmethoden wie ein Ei dem anderen. So eine Pauschalierung ist allerdings falsch und kann zu gravierenden Folgen führen.

Grundsätzlich sind zwei Reaktionen des Gewebes auf nicht invasive oder minimal invasive Behandlungsmethoden möglich:

–  transiente quasi-physiologische Reaktion mit einer relativ kurzen charakteristischen Relaxationszeit;

–  irreversible Änderungen, die durch signifikante Verletzung des Gewebes hervorgerufen werden und die in der Regel deutlich längere Relaxationszeiten als bei transienten Reaktionen zeigen.

Sind entsprechende Relaxationszeiten der Gewebereaktion kleiner als der Behandlungsintervall zwischen einzelnen Behandlungen, wird jede nächste Behandlung mit der vollen Relaxation des Gewebes konfrontiert. Dabei wird das Gewebe zu seinem ursprünglichen Zustand fast vollständig relaxen und somit muss nach jeder neuen Behandlung die Wirkung von quasi demselben Anfangspunkt immer wieder entwickelt werden. Eine andere Situation entsteht dann, wenn der Behandlungsintervall kürzer als die charakteristische Relaxationszeit des Systems ausfällt. In diesem Fall kann die Reaktion des Gewebes bis zur nächsten Behandlung nicht komplett verschwinden und es kann sich somit eine kumulative Wirkung in der Behandlungsserie entwickeln.

 

Das macht die Anwendung von konzentrierten Behandlungskuren mit kurzen Behandlungsintervallen in vielen Fällen theoretisch effektiver, als die von einzelnen Behandlungen mit langen Intervallen zwischen den Sitzungen. Allerdings, zu lange Anwendung von ein und derselben Behandlungsmethode, kann zu einer Adaptation (Gewöhnungseffekt) führen und so die Behandlungseffektivität reduzieren. Dies bedeutet, dass jede ästhetische Anwendung ein optimales Behandlungsschema haben sollte.

 

Wichtigste Widersprüche in ästhetischen Behandlungsabläufen

Wichtigste Widersprüche in Behandlungsabläufen sind mit allgemeinem Trend in die Richtung der Kombinationsbehandlungen sowie mit der Anwendung immer stärker werdenden physikalischen Kräften verbunden. Wegen enttäuschend kurzfristigen Behandlungserfolgen bei vielen nicht invasiven ästhetischen Haut- und Körperbehandlungen wurden mehrere Versuche unternommen, durch stärkere oder kombinierte Anwendungen die Behandlungsergebnisse zu verbessern und gleichzeitig doch im Rahmen eines klassischen und somit auch eines wirtschaftlich akzeptablen Behandlungsablaufs zu bleiben. So eine Strategie kann allerdings relativ schnell in eine Konfrontation mit bestehenden wissenschaftlichen Erkenntnissen geraten.

 

Man muss sich auf diesem Gebiet folgenden Fragen stellen, um bestehende Probleme analysieren zu können.

 

  • Warum werden bei nicht invasiven sowie bei minimal invasiven ästhetischen Behandlungen nicht eine sondern in der Regel mehrere Behandlungen benötigt?

Diese Frage ist nicht trivial, weil in der Praxis normalerweise die gleichen und nicht die unterschiedlichen Behandlungen mehrmals wiederholt werden müssen. Entweder muss angenommen werden, dass nicht alle Strukturen (zelluläre oder interzelluläre) sich in gleichem Zustand befinden und darum nicht gleich beeinflusst werden können (analog dem klassischen aber falschen Konzept der Rolle von Melanin in der Photoepilation), oder es muss sich um die kumulative Wirkung handeln, die Schritt für Schritt aufgebaut werden muss und zwischen den Behandlungen signifikant abgeschwächt werden kann.

  • Warum werden bei unterschiedlichen Behandlungsmethoden oft sehr ähnliche Behandlungsschemata empfohlen?

Eine Idee, dass solche verschiedene Zielobjekte wie die Haut oder Fettgewebe mit unterschiedlichen physikalischen Methoden in einem sehr ähnlichen Rhythmus optimal behandelt werden können, ist absolut realitätsfremd. In der Regel werden Behandlungsabläufe nicht nach der Gewebereaktion, sondern viel mehr nach ihrer Wirtschaftlichkeit und Patienten (Kunden)-Akzeptanz ausgerichtet.

  • Warum führen solche Behandlungsserien fast immer nur zu kurzfristigen oder im besten Fall zu mittelfristigen Behandlungserfolgen?

Dass die einzelnen nicht invasiven Behandlungen mit verschiedenen physikalischen Faktoren normalerweise nur eine kurzfristige Reaktion zeigen, kann mit einer schnellen Relaxation der Wirkung erklärt werden. Dass die Gewebereaktion allerdings auch nach einer Behandlungsserie nur kurz- oder im besten Fall mittelfristig besteht, kann entweder mit reiner physiologischer Natur des Effektes oder mit zu großen Intervallen zwischen Einzelbehandlungen erklärt werden.

 

  • Kann eine Kombination von simultan angesetzten physikalischen Kräften zu besseren Behandlungsergebnissen führen, wenn die Reaktionszeiten des Gewebes auf jede einzelne Therapieart sich nicht wesentlich voneinander unterscheiden?

Diese Frage ist mit dem Unterschied zwischen einer Addition und einer Synergie von zwei Wirkungen verbunden. Das Wort „Synergie“ bedeutet, dass die Wirkung stärker als die Summe von einzelnen Wirkungen sein muss. Dieser Begriff wird aber gerne ohne jegliche Prüfung in der ästhetischen Medizin benutzt. Viel mehr, sehr oft führt eine simultane Anwendung von zwei oder mehreren physikalischen Faktoren in solchen Behandlungen nicht einmal zu einer additiven Wirkung, weil diese Faktoren auf gleiche Mechanismen wirken und sich somit gegenseitig stören.

  • Falls die Relaxationszeiten bekannt sind, wie soll dann ein optimaler Intervall zwischen einzelnen Behandlungen aussehen?

Es ist a priori möglich, dass eine korrekte Antwort auf diese Fragen zu einer großen Modifikation des klassischen Behandlungsablaufs führen wird.

 

Charakteristische Relaxationszeiten

Einer der wichtigsten Behandlungsziele bei verschiedenen nichtinvasiven und minimal invasiven ästhetischen Behandlungsmethoden ist die Modulation der extrazellulären Matrix (EZM).In erster Linie wird diese Modulation mit der Veränderung des lokalen Kollagen- und / oder Hyaluronan-Gehaltes im Gewebe verbunden. Relaxationszeiten von diesen Substanzen nach ihrer Modulation können allerdings sehr unterschiedlich ausfallen, was letztendlich zu unterschiedlichen theoretisch optimalen Behandlungsschemas führen kann.

 

Schnelle Prozesse wie z.B. Turnover von Prokollagen werden nicht nur durch Fibroblasten-Stimulation, sondern auch durch Matrix Metalloproteinasen (MMPs) bestimmt. Die Aktivierung von verschiedenen MMPs, welche unterschiedliche Kollagentypen als ihre Substrate haben, ist eine unspezifische Reaktion nicht nur bei allen entzündlichen Erkrankungen (wie z.B. Akne, Psoriasis, Ekzem, Ulcus cruris, usw.) sondern auch bei UV-induzierter Hautalterung. So kann die Aktivität von MMP-1 in der Akne-Haut bis zu 500fach, MMP-3 bis zu 1.000fach und MMP-9 bis zu 15fach im Vergleich zu normaler Haut erhöht werden [1]. Bei Ulcus cruris und Psoriasis kann diese Steigerung schnell die 100fachen Werte erreichen. Solch eine extreme Aktivierung von Abbauprozessen ist kein Zufall, sondern ist eindeutig mit angehender Reparatur des Gewebes verbunden. Dies kann damit erklärt werden, dass die Zellen in einer festen Umgebung nicht aktiviert werden können und eine „freie“ Umgebung brauchen, um sich zu differenzieren oder zu vermehren. Diese freien Räume können nur durch Auflockerung des Gewebes geschaffen werden die durch Aktivierung von spezifischen mit konkreten EZM-Strukturen verbundenen MMPs realisiert werden kann.

 

Bei einer normal verlaufenden lokalen Reaktion des Gewebes auf eine Entzündung/Verletzung werden die MMP-Werte schnell erhöht und dann wieder relativ schnell reduziert. Unter quasi-physiologischen Bedingungen haben diese Prozesse charakteristische Relaxationszeiten zwischen einigen Stunden und einigen Tagen [2].Sollte allerdings die MMP-Aktivierung in eine chronische Phase übergehen wird sich das Gewebe im Laufe der Zeit auf einem anderen Niveau stabilisieren, das in der Regel eine niedrigere Dichte von EZM-Strukturen, aufweist.

 

In diesem Fall kann eine klare Behandlungsstrategie formuliert werden – Unterdrückung von MMP-Aktivitäten über eine für solche Prozesse charakteristische Zeit, um das System auf den ursprünglichen Zustand zurückzuführen. Diese Strategie kann mit verschiedenen Mitteln realisiert werden. Sie ist auch mit einer ganz wichtigen Frage verbunden, die kaum in der wissenschaftlichen und nie in der medizinischen Literatur analysiert wurde. Nämlich, wenn MMPs stark unterdrückt werden können, wie lange hält die somit erreichte Suppression an? Obwohl intuitiv klar ist, dass die Dynamik der Relaxationsprozesse sogar wichtiger als die anfängliche Amplitude der Suppression sein kann, sind solche Prozesse schlecht untersucht, weil in der Regel nur einzelne statische Werte gemessen werden. Welche Rolle die Dynamik bei solchen Prozessen spielt, ist allerdings am Beispiel der Antibiotika-Therapie bei bakteriellen Infektionen bestens bekannt – sogar die stärkste einmalige Wirkung kann schnell nach unten nivelliert werden und muss somit regelmäßig wiederholt werden.Der einzige Unterschied zu ästhetischen Behandlungsmethoden -charakteristische Wirkzeiten bei Pharmazeutika sind durch Ausscheiden von Präparaten und nicht durch Relaxationszeiten der Gewebereaktion bestimmt.

 

Transiente Reaktionen sind typisch für nicht invasive physikalische Behandlungen mit unterschwelligen Intensitäten. Diese Reaktionen sind normalerweise mit physiologischen Prozessen verbunden und haben relativ kurze Relaxationszeiten. Zum Beispiel, Hyaluronan und die mit ihm verbundene Wasseransammlung im Gewebe spielt eine wichtige Rolle in den meisten nicht invasiven ästhetischen Behandlungsmethoden und ist für viele schnellen Reaktionen im Binde- und Fettgewebe verantwortlich. Charakteristische Turnover-Zeiten des Hyaluronans liegen bei 2-5 Minuten im Blut, bei 1-2 Tagen in der Haut und bei 1-3 Wochen in solchem metabolisch inerten Gewebe wie Knorpel [3]. Entsprechende Relaxationszeiten nach lokaler Hyaluronan-Stimulation sollten noch kürzer ausfallen. Charakteristische Relaxationszeiten nach einer Stimulation von Hitzeschockproteinen (HSPs), die auch in verschiedenen ästhetisch relevanten Prozessen eine wichtige Rolle spielen [4], können auf weniger als 1 Tag eingeschätzt werden [5]. Ähnliche Relaxationszeiten sind typisch für MMP-Reaktionen, die im Wesentlichen für dynamische Balance im Bindegewebe verantwortlich sind.

 

Daraus resultiert, dass für die Behandlungsindikationen die zum Beispiel mit einer signifikanten Reduktion der MMPs über eine längere Zeit (Tage oder Wochen) verbunden ist, das optimale Behandlungsschema so gestaltet werden sollte, dass der Intervall zwischen einzelnen Behandlungen unter einem Tag liegt. Das ist mit großer Sicherheit der Fall bei allen entzündlichen Hauterkrankungen sowie bei einigen Indikationen zur Hautbildverbesserung. Das Gleiche gilt z.B. für Ulcus cruris, bei dem nicht nur die Dynamik von MMPs sondern auch von HSPs (besonders bei diabetischen Patienten) berücksichtigt werden sollte [6].

 

Eine natürliche Vorstellung, dass die Wirkzeiten durch Anwendung einer stärkeren Intensität der Behandlung verlängert werden können, kann zu gravierenden Fehler führen. Relaxationszeiten des Gewebes sind in der Regel durch Feedback-Mechanismen bestimmt, d.h. stärkere Wirkung entwickelt eine stärkere Gegenwirkung. Somit können die längeren Behandlungsintervalle durch eine stärkere Intensität von einzelnen Behandlungen mindestens im physiologischen Bereich nicht unbedingt kompensiert werden.

 

Klassische Behandlungsabläufe in der ästhetischen Medizin

Klassische Behandlungsschemata in der nichtinvasiven ästhetischen Medizin basieren auf Behandlungskuren, die entweder mit einer Frequenz von 1-2mal pro Woche in einem gesamten Zeitintervall von 4 – 6 Wochen oder alle 3 – 8 Wochen mit gesamter Anzahl von 2 – 6 Sitzungen ablaufen sollten. Unabhängig von darauf folgenden aufrechterhaltenden Behandlungen, sollten diese Behandlungsschemata für eine prolongierte Wirkung sorgen. Die erste Variante ist typisch z.B. bei einigen Radiofrequenz- und LED-Behandlungen, bei verschiedenen Ultraschall-Anwendungen, usw. Die Zweite wird normalerweise bei solchen Behandlungskuren wie Skin Rejuvenation (z.B. mit Licht), Skin Tightening (z.B. mit RF-Strom), sowie bei verschiedenen minimal-invasiven Behandlungsmethoden (z.B. bei Fraxel, Nadel-RF, usw.) eingesetzt. Dabei gibt es fast immer eine starke negative Korrelation zwischen der Anzahl von empfohlenen Behandlungen und den Kosten von einzelnen Behandlungen: Das erste Schema wird in der Regel bei niedrigeren und das zweite immer bei deutlich höheren Kosten von Einzelbehandlungen angeboten.

 

Die erste Art von Behandlungskuren wird (wenn überhaupt) mit der sogenannten epidermalen Turnoverzeit argumentiert, die in der menschlichen Haut 28 – 42 Tage beträgt. Das ist allerdings die charakteristische Zeit die Keratinozyten brauchen, um vom Stratum basale ins Stratum granulosum zu wandern. Obwohl Keratinozyten für die Epidermis primär wichtig sind und über 90 % von allen Zellen in dieser Hautschicht darstellen, spielen sie bei ästhetischen Anwendungen eine untergeordnete Rolle, weil sie keineswegs auf irgendwelche strukturelle und Turgor-Veränderungen in Dermis einwirken können. Lediglich eine optische Hautbildverbesserung bei verschiedenen Dermabrasions-Methoden ist mit der Entfernung von diesen Zellen verbunden. Eine Verlängerung der charakteristischen Turnoverzeit von Keratinozyten, um die Hautverhornung zu verlangsamen, macht wenig Sinn und wurde meines Wissens auch nie wie ein Behandlungsziel solcher Behandlungen definiert.

 

Die zweite Art der Behandlungsschemata mit deutlich größeren Intervallen zwischen den Einzelbehandlungen wird hauptsächlich mit Veränderung des Kollagengehaltes und mit der damit verbundenen gesamten EZM-Modulation der Haut argumentiert. Weil die Neokollagenese eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen sollte, scheint es vernünftig zu sein, das hiermit relativ lange Behandlungsintervalle eingesetzt werden müssen.

 

Fibroblasten- die Anzahl sowie die Syntheseaktivität von welchen im Wesentlichen die EZM-Strukturen, Wassergehalt und somit der Turgor in der Haut bestimmen – sollten eine wichtige Rolle in ästhetischen Anwendungen spielen. Charakteristische Turnoverzeiten von diesen Zellen sind stark altersabhängig und können durch UV-Bestrahlung oder andere äußere Einflüsse zusätzlich modifiziert werden. Ungeachtet dieser großen Variabilität liegen durchschnittliche Turnoverzeiten von Fibroblasten weit über der Zeitgrenze, die für nicht invasive oder minimal invasive Behandlungsabläufe üblicherweise eingesetzt wird. Somit scheidet eine signifikante Erneuerung des Zellpools im Bindegewebe als Ziel der Behandlung bei Anwendung von solchen Behandlungsschemata aus.

 

Man kann allerdings vermuten, dass nicht die Zellularität sondern die synthetische Aktivität von diesen Zellen durch ästhetische Behandlungen beeinflusst werden kann, was zu signifikanter Neokollagenese und damit verbundener Hautbildverbesserung führt. Die zeitliche Entwicklung der Neokollagenese unter quasi-physiologischen Bedingungen wurde in einem anderen Artikel dieser Serie analysiert [7]. Es wurde gezeigt, dass solche Behandlungskuren generell viel zu kurz sind, damit dieser Mechanismus eine wichtige Rolle in Hautbildverbesserungen spielen kann.

 

Somit entsteht folgendes Problem. Charakteristische Relaxationszeiten des Gewebes nach Anwendung von verschiedenen ästhetischen Behandlungsmethoden sind in der Regel viel kürzer, als die Behandlungsintervalle zwischen Einzelbehandlungen. Dadurch kann die Wirkung zwischen den Behandlungen fast vollständig nachlassen und das Gewebe zu ihrem ursprünglichen Zustand zurückkehren. Eine Erhöhung der Behandlungsintensität mit einer gleichzeitigen Verlängerung des Behandlungsintervalls zwischen einzelnen Sitzungen kann die Relaxationsprozesse nicht vollständig kompensieren.

 

Daraus resultieren nur zwei mögliche Behandlungsstrategien:

 

1.       Die Behandlungsintervalle zwischen den Sitzungen zu verkürzen, damit sie kleiner als charakteristische Relaxationszeiten des Gewebes ausfallen. Diese Strategie sollte zu kumulativer Wirkung im Gewebe führen;

2.       Behandlungskuren mit einzelnen intensiven Behandlungen zu verlängern und parallel zum Aufbau von EZM die Abbau-Prozesse durch MMP-Suppression konsequent zu verlangsamen. Diese Strategie sollte genug Zeit verschaffen, damit ein signifikanter Anteil von reifem Kollagen ausgetauscht und somit die EZM-Strukturen erneuert werden können.

 

Obwohl beide Strategien theoretisch möglich sind, stößt die zweite auf eine erhebliche Kostensteigerung, wodurch die nicht invasiven ästhetischen Behandlungen von beiden Seiten – Behandlungsergebnisse und Kosten – gegenüber ästhetisch-plastischen Operationen verlieren werden.

 

Superfraktionierung

Mögliche Lösung des Problems in der Praxis wäre die erste Strategie. Aufgrund der oben beschriebenen charakteristischen Relaxationszeiten von verschiedenen ästhetisch relevanten Prozessen, sollte die Anwendung einer solchen Strategie allerdings bedeuten, dass die Intervalle zwischen den Behandlungen unter einem Tag liegen werden. Das macht ambulante Behandlungen praktisch unmöglich und sollte konsequent zu Delegierung der Durchführung von mindestens einigen Behandlungen an Patienten führen. Dafür ist es aber notwendig, die Intensität von benutzten physikalischen Faktoren bei jeder Behandlung erheblich zu reduzieren und gleichzeitig die Häufigkeit der Behandlungen signifikant auf eins bis drei pro Tag zu erhöhen. Diese Strategie wird weiter als Superfraktionierung bezeichnet.

 

Optimale Superfraktionierung kann theoretisch bei jeder Indikation anders ausfallen und kann nicht mit jeder Methode nur durch pauschale Erhöhung von Behandlungshäufigkeit erreicht werden. Die Analyse zeigt, dass mindestens folgende Wirkungen mit solcher Strategie erzielt werden sollten.

 

1.      Lokale Modulation der MMP-Aktivitäten

Dadurch sollte erreicht werden, dass ein dynamisches Gleichgewicht zwischen Aufbau und Abbau von EZM-Strukturen lokal im Gewebe wiederhergestellt werden kann [8]. Dabei sollte es in einem Optimalfall möglich sein, durch Anwendung einer Methode verschiedene MMPs modulieren zu können. Eine wichtige Rolle bei Hauterkrankungen sollten solche MMPs spielen, die Collagen Typ I (Dermis) und Typ IV (Basalmembran) als Substrate haben. Das deutet auf eine besondere Rolle der Modulation von MMP-1 (Kollagenase) sowie von MMP-2 und -9 (Gelatinasen) in der Dermatologie und in der Ästhetik hin.

 

2.      Lokale Stimulation der HSP-Produktion

Diese Stimulation kann eine wichtige Rolle z.B. bei solchen Indikationen wie Narben und Ulcus cruris spielen, wo verschiedene HSPs (insbesondere Hsp72) in die Kontrolle der Gewebsstruktur involviert sind. Dabei spielt die Dynamik und Reihenfolge von verschiedenen Behandlungsschritten eine entscheidende Rolle, was am Beispiel eines Hitzeschock-Paradoxes deutlich zu sehen ist: Wobei eine Stimulation der HSPs vor der induzierten Entzündung in der Regel eine zytoprotektive Wirkung zeigt, wirkt Stimulation von HSPs nach der Entzündungsinduktion meistens zytotoxisch.

 

3.      Lokale Modulation der Hyaluronan-Produktion

Ansammlung des Hyaluronans und die damit verbundene Ödementwicklung sind die bekanntesten unspezifischen Reaktionen des Gewebes auf verschiedene physikalische Kräfte und Energiearten. Sie kann über zwei verschiedene Mechanismen realisiert werden:

–  stärkere Produktion durch Stimulation von Hyaluronan-Synthasen,

–  Reduktion des Abbaus durch Suppression der Hyaluronidasen.

Eine umgekehrte Strategie muss dann realisiert werden, wenn Hyaluronan zu therapeutischen Zwecken abgebaut werden muss, z.B. bei Mobilisierung des Fettgewebes [9,10] bzw. in der Krebstherapie.

 

Wir haben vor kurzem die Strategie der Superfraktionierung zur Spezialbehandlung von Akne und Rosazea mit sehr hochfrequentem Ultraschall (VHF-US) in einer Pilotstudie auf 12 Probanden eingesetzt [11]. Hautbildverbesserung bei diesen entzündlichen Hauterkrankungen erreichte auf der Leeds-Skala fast 50 % nach 1-2 Behandlungswochen. Dabei wurde eine signifikante Korrelation von 0,871 zwischen der erreichten Hautbildverbesserung und der Anzahl von täglichen Behandlungen festgestellt. Wobei für eine genaue statistische Auswertung eine größere Patientenkohorte benötigt wird, unterstützen diese Ergebnisse sehr stark die Superfraktionierungs-Strategie.

 

Zusammenfassung

Anwendung eines optimalen Behandlungsschemas kann eine entscheidende Rolle in erzielten Behandlungsergebnissen spielen. Sollte eine Behandlungsmethode quasi-physiologische Veränderungen im Gewebe hervorrufen und gleichzeitig kumulative zeitliche Wirkung zeigen, müssen die Relaxationszeiten von wichtigsten Komponenten der EZM berücksichtigt werden. Weil solche charakteristische Zeiten normalerweise zwischen Minuten und mehreren Stunden, selten aber im Bereich von Tagen und nie im Bereich von Wochen oder Monaten liegen, sollte in Kauf genommen werden, dass jede physiologisch orientierte Behandlungsstrategie auf einer deutlich erhöhten (im Vergleich zu klassischen Abläufen) Behandlungshäufigkeit aufgebaut werden sollte. Solche Strategien können in der Regel nicht ambulant realisiert werden und die Patienten müssen in den Behandlungsprozess konsequent einbezogen werden. Weitere Optimierung von nicht invasiven ästhetischen sowie einigen dermatologischen Anwendungen kann dann nur durch eine spezielle Strategie – Kombination von ambulanten mit gezielten und kontrollierbaren Homecare-Behandlungen – realisiert werden.

Korrespondenz-Adresse

Dr. rer. nat. habil. Ilja L. Kruglikov
Wellcomet GmbH
Greschbachstr. 2-4
D-76229 Karlsruhe
E-mail: i.kruglikov@wellcomet.de

Conflict of Interests

Dr. I. Kruglikov is the managing partner of Wellcomet GmbH

Literatur

1. Kang S, Cho S, Chung JH, Hammerberg C, Fisher GJ, Vorhees JJ (2005) Inflammation and extracellular matrix degradation mediated by activated transcription factors nuclear factor-kB and activator protein-1 in inflammatory acne lesions in vivo. Am J Pathol166 (6): 1691-1699.
2. Fisher GJ, Datta SC, Talwar HS, Wang ZQ, Varani J, Kang S, Voorhees JJ (1996) Molecular basis of sun-induced premature skin ageing and retinoid antagonism. Nature 379 (6563): 335-339. 3. Stern R. (2003) Devising a pathway for hyaluronan catabolism; Are we there yet? Glycobiology 13 (12): 105R-115R.
4. Kruglikov I, Sontag W. (2010) Ultrasound of 10 MHz frequency as a novel strategy for skin anti-aging therapy. Medical Hypotheses 74 (3): 620-621.
5. Sontag W, Kruglikov I. (2009) Expression of heat shock proteins after ultrasound exposure in HL-60 cells. Ultrasound Med Biol 35 (6): 1032-1041.
6. Kruglikov I., Kruglikova E. (2011) Dual treatment strategy by venous ulcers: Pilot study to dual-frequency ultrasound application. J Cosm Dermatol Sci Appl 1 (4): 157-163.
7. Kruglikov IL (2013) Kontroversen in der ästhetischen Medizin: 3. Neokollagenese – „Die unendliche Geschichte“. Kosmet Med 34 (1): 22-26.
8. Kruglikov IL (2012) Neocollagenesis in non-invasive aesthetic treatments. J Cosm Dermat Sci Appl 3(1A): 1-5.
9. Kruglikov IL (2012) Biophysical basics of body treatments: Is hyaluronan a link that has gone unnoticed? Am J Cosm Surg 29 (2): 121-127.
10. Kang L, Lantier L, Kennedy AJ, Bonner JS, Mayes WH, Bracy DP, Bookbinder LH, Hasty AH, Thompson CB, Wasserman DH (2013) Hyaluronan accumulates with high fat feeding and contributes to insulin resistance. Diabetes 62 (6):1888-96.
11. Meyer-Rogge D, Kruglikov IL (2013) Pilot study into super-fractionation treatment strategy of acne and rosacea. J Cosm Dermatol Sci Appl 3 (3): 197-202.

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