Übersichtsarbeit

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Weichteile des Gesichts Teil 1: Die Muskulatur

Soft tissues of the face - part 1: The musculature

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Schlüsselworte

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Summary

The mimic muscles are innervated by branches of the facial nerve. Most of the muscles originate in the bones of the skull or in the overlying subcutis, to which they are connected by elastic end tendons. The mimic muscles lie without fascia in the subcutaneous fat tissue, with the exception of the buccinator muscle, which is covered by the fascia buccopharyngea. The facial muscles are described in detail here.

Zusammenfassung

Die mimische Muskulatur wird von Ästen des Nervus facialis innerviert. Die meisten Muskeln haben ihren Ursprung an den Schädelknochen beziehungsweise an der darüber verlaufenden Subkutis, mit der sie über elastische Endsehnen verbunden sind. Die mimischen Muskeln liegen ohne Faszien im subkutanen Fettgewebe, mit Ausnahme des Musculus buccinator, der durch die Fascia buccopharyngea bedeckt wird. Die Gesichtsmuskultur wird hier genaustens beschrieben.


* Dieser Beitrag ist ein Auszug aus der Publikation „Anatomie des Gesichts – Grundlagen für ästhetische Anwendungen. Erschienen bei gmc GmbH, Berlin 2019. ISBN: 978-3-9820717-0-1

 

Der Kopf und das Gesicht werden anatomisch in mehrere Regionen unterteilt (Abb. 3). Am Kopf unterscheidet man mehrere Regiones capitis: die Regio frontalis, die Regio temporalis, die Regio parietalis und die Regio occipitalis. Bei der Einteilung der Gesichtsregionen kann eine Unterteilung in eine Regio faciei medialis und lateralis getroffen werden. Zur Regio faciei medialis zählen die Regio orbitalis, die Regio nasalis, die Regio infraorbitalis, die Regio oralis und die Regio mentalis. Der Regio faciei lateralis gehören die Regio zygomatica, die Regio buccalis und die Regio parotideomasseterica an [5]. Im allgemeinen Sprachgebrauch reicht das Gesicht bis zur Haargrenze, die Stirn wird also zum Gesicht dazugerechnet. Wie fast überall am Schädel werden auch die Knochen des Gesichts von verhältnismäßig wenigen Weichteilen bedeckt, sodass die knöcherne Grundlage des Gesichts an vielen Stellen tastbar ist und die Gefäße und Nerven relativ oberflächlich verlaufen.

 

Die Weichteile des Gesichts weisen einen zwiebelschalenartigen Aufbau auf. Unmittelbar unter der Haut liegen das oberflächliche Fettgewebe und darunter das superfizielle muskulo-aponeurotische System (SMAS), das die mimische Muskulatur umhüllt. Zwischen und unter den Gesichtsmuskeln findet man das tiefe Fett und darunter die Schicht der Blutgefäße, Nerven und des Ductus parotideus. Eine weitere Lage tiefer befindet sich das Corpus adiposum buccae (Bichat) und darunter die Knochen des Gesichtsschädels.

 

Im Bereich des Gesichts sind zwei Muskelgruppen zu finden: die Kaumuskulatur (Mm. masticatorii) und die mimische Muskulatur (Mm. faciei).

 

Die Kaumuskulatur entstammt dem 1. Schlundbogen (Mandibularbogen), dessen zugehöriger Nerv der N. trigeminus ist. Diese Muskeln werden daher vom motorischen Teil des 3. Trigeminusnerven, dem N. masticatorius des N. mandibularis, innerviert. Zur Kaumuskulatur zählen der M. masseter, der M. temporalis, der M. pterygoideus medialis und der M. pterygoideus lateralis. Die beiden Mm. Pterygoidei befinden sich in der tiefen seitlichen Gesichtsregion in der Fossa infratemporalis und stehen hier in inniger Beziehung zum Corpus adiposum buccae (Bichat). Der M. temporalis entspringt vom Planum temporale und der ihn bedeckenden Fascia temporalis und setzt mit einer kräftigen Sehne am Processus coronoideus und Ramus mandibulae an. Der M. masseter entspringt mit einem oberflächlichen Teil vom Unterrand und mit einem tiefen Teil von der Innenfläche des Jochbogens und setzt an der Außenfläche des Unterkieferastes und am Kieferwinkel an. Er wird zum Großteil von der Ohrspeicheldrüse (Glandula parotidea) bedeckt und ist gemeinsam mit dem M. temporalis und dem M. pterygoideus medialis am Kieferschluss beteiligt.

 

Die mimische Muskulatur stammt aus dem 2. Schlundbogen (Hyoidbogen). Sie verlässt im Lauf der embryonalen Entwicklung ihre ursprüngliche Lage im Bereich des Hyoidbogens und breitet sich flächenhaft über das Gesicht aus. Sie wird vom Nerven des 2. Schlundbogens, dem N. facialis innerviert. Seine Äste verlaufen zwischen den oberflächlichen und tiefen Muskeln, sodass die Nerven die oberflächliche Muskulatur von der Unterseite her erreichen. Die mimische Muskulatur weist einige Unterschiede zur quergestreiften Skelettmuskulatur des restlichen Körpers auf: ein wesentlicher Unterschied besteht darin, dass die mimische Muskulatur nicht unter der Subkutis lokalisiert, sondern zwischen der oberflächlichen und der tiefen subkutanen Fettschicht eingelagert ist, somit eine subkutane Lage aufweist, was wiederum bedeutet, dass es sich hierbei um „Hautmuskeln“ handelt. Ein weiterer Unterschied zur Skelettmuskulatur besteht insofern, als die mimische Muskulatur zwar ebenfalls vom Knochen entspringt, jedoch nicht am Knochen ansetzt, sondern- gemeinsam mit den Ausläufern des SMAS – meist fächerförmig in die Dermis einstrahlt. Dadurch bilden sich bei Kontraktion der einzelnen Muskeln Furchen und Falten, wodurch unterschiedliche Gesichtsausdrücke entstehen.

Ein dritter Unterschied liegt darin, dass die mimische Muskulatur zwar von einem Epimysium eingehüllt und von Ausläufern des SMAS umgeben wird, jedoch keine eigene Muskelfaszie, wie sonst am Körper üblich, besitzt. Des Weiteren unterscheidet sich die Gesichtsmuskulatur dadurch von der Skelettmuskulatur, dass die mimische Muskulatur keine einheitliche Schicht bildet, sondern in 3 Lagen vorliegt, zwischen welchen sich Lücken ergeben, in die die tiefen Fettkörper des Gesichts eingelagert sind. in der oberflächlichen Schicht befinden sich der Venter frontalis des M. occipitofrontalis, der M. procerus, der M. orbicularis oculi, der M. nasalis, der M. zygomaticus minor, der M. orbicularis oris, der M. risorius, der M. depressor anguli oris und das Platysma.

 

Der Venter frontalis des M. occipitofrontalis entspringt in der Haut der Brauen und der Glabella und verbindet sich hier mit Fasern des M. orbicularis oculi. Er verläuft leicht divergierend nach oben und geht dann in seine Sehne, die Galea aponeurotica über. Seine Kontraktion verursacht einerseits Querfalten an der Stirn, andererseits hebt er die Augenbraue und das Oberlid.

 

Der M. procerus entspringt vom Os nasale und setzt an der Haut der Glabella an. Durch seine Kontraktion entstehen Querfalten an der Nasenwurzel, gleichzeitig wirkt er antagonistisch zum medialen Teil des Venter frontalis des M. occipitofrontalis, indem er die Querfalten an der Stirn aufhebt.

 

Der M. orbicularis oculi besteht aus 3 Teilen: die Pars palpebralis entspringt am oberflächlichen Zügel des Lig. palpebrale mediale und an der Crista lacrimalis anterior und setzt am Lig. palpebrale laterale an. Sie ist für den ruhigen Lidschlag und Lidschluss verantwortlich, die für die Verteilung der Tränenflüssigkeit wichtig sind. Die Pars orbitalis schließt sich der Pars palpebralis peripher an und hat ihren Ursprung neben dem Lig. palpebrale mediale am Stirnfortsatz der Maxilla und an der Pars nasalis des Stirnbeins. Ihr Ansatz liegt in der Haut der Augenbraue, der Schläfe und der Wange. Die Pars orbitalis weist somit weder einen knöchernen Ansatz, noch einen Ansatz am Lig. palpebrale laterale auf. Sie ist für das Zukneifen der Augen wichtig, wodurch am lateralen Augenwinkel radiäre Hautfalten („Krähenfüße“) entstehen. Die Pars lacrimalis entspringt am tiefen Zügel des Lig. palpebrale mediale, an der Crista lacrimalis posterior und an der Fascia lacrimalis, verläuft dann aber direkt am Lidrand und setzt am Lig. palpebrale laterale an. Sie ist für den Tränenabfluss wichtig, indem sie den Abpumpmechanismus fördert und wirkt außerdem durch ihren Tonus einer Verlängerung des Bulbus entgegen.

Der M. nasalis entspringt an den Juga alveolaria des seitlichen Schneidezahnes und des Eckzahnes des Oberkiefers und setzt mit einer Pars alaris an den Nasenflügeln an, mit einer Pars transversa erreicht er die Cartilago nasi lateralis und verbindet sich mit der Sehnenplatte des Muskels der Gegenseite. Die Pars alaris (= M. dilatator naris) erweitert das Nasenloch, die Pars transversa (= M. compressor naris) verengt dieses.

 

Der M. zygomaticus minor hat seinen Ursprung am Jochbein und bezieht seine Fasern zusätzlich aus der Pars orbitalis des M. orbicularis oculi. Er strahlt in die Haut der Nasenlippenfruche (Nasolabialfurche) ein und verflechtet sich im Bereich der Oberlippe mit den Fasern des M. orbicularis oris. Er zieht den Mundwinkel und die Nasolabialfurche nach lateral und oben.

 

Der M. orbicularis oris bildet die muskulöse Grundlage der Lippen und ist fest mit der Haut verwachsen. Er ist eigentlich kein Ringmuskel wie ihn sein Name fälschlicherweise bezeichnet, sondern besteht aus 4 Teilen. Sein Ursprung liegt im Bereich der Juga alveolaria der Maxilla und Mandibula auf Höhe der Schneidezähne. Der um die Mundspalte liegende Teil wird als Pars marginalis bezeichnet und biegt im Bereich des Lippenrots hakenförmig nach außen um. Der anschließende periphere Teil des M. orbicularis oris ist die Pars labialis. Diese dehnt sich kranial bis zum Nasenseptum und kaudal bis zur Lippen-Kinnfurche (Sulcus mentolabialis) aus. Im Bereich des Mundwinkels verflechten sich seine Fasern mit den radiär von oben, seitlich und unten einstrahlenden Muskeln, sodass eine knotige Verdickung, der Modiolus anguli oris, entsteht.

 

Der M. orbicularis oris ist für das Schließen der Mundspalte und das rüsselartige Vorschieben der Lippen verantwortlich und ist somit an vielen komplexen Bewegungen des Mundes beteiligt, die für die Nahrungsaufnahme, das Sprechen usw. notwendig sind. Vom kranialen Rand des Muskels zweigen Muskelfasern ab, die zur Haut des Nasenseptums ziehen und als M. depressor septi bezeichnet werden. Dieser kann das Nasenseptum nach unten ziehen und so die Nasenlöcher erweitern.

 

Der M. risorius ist ein relativ inkonstanter und meist schwach ausgebildeter Muskel, der an der Fascia parotidea und der Wangenhaut entspringt und in den Mundwinkel einstrahlt. Er kann auch als Abspaltung des Platysma oder des M. zygomaticus major vorliegen. Er verbreitert die Mundspalte und ist für das „Wangengrübchen“ verantwortlich.

 

Der M. depressor anguli oris hat einen breiten Ursprung am Unterrand der Mandibula vom Kinn bis zum 1. Molaren. Er setzt an der Haut des Mundwinkels an, und einzelne Fasern strahlen in den peripheren Teil der Pars labialis des M. orbicularis oris der Oberlippe ein. Durch seine Kontraktion werden der Mundwinkel und die Oberlippe abwärts gezogen.

 

Das Platysma hat seinen Ursprung in der Haut auf Höhe der 2. Rippe und läuft als dünne Platte nach kranial. Seine medialen Fasern setzten am Unterkiefer an und verflechten sich mit den Fasern der Gegenseite. Oberhalb des Brustbeins bleibt meist ein muskelfreies Dreieck. Die lateralen Fasern des Platysma strahlen in die Wangengegend ein, bedecken den unteren Teil des M. masseter und der Glandula parotidea und verflechten sich am Mundwinkel mit anderen mimischen Muskeln. Das Platysma spannt die Haut des Halses und bildet dabei Längsfalten, es kann die Haut der Brustwand anheben und wirkt beim Herabziehen der Mundwinkel mit.

 

Zur mittleren Schicht der mimischen Muskulatur gehören der M. zygomaticus major, der M. levator labii superioris alaeque nasi, der M. levator labii superioris und der M. depressor labii inferioris.

 

Der M. zygomaticus major entspringt lateral vom M. zygomaticus minor vom Jochbein und strahlt in die Haut des Mundwinkels ein. Er beteiligt sich somit an der Hebung des Mundwinkels.

 

Der M. levator labii superioris alaeque nasi entspringt vom Stirnfortsatz der Maxilla und strahlt in die Haut des Nasenflügels und der Nasolabialfurche ein. Er kann den Nasenflügel heben und beteiligt sich an der Hebung der Oberlippe.

 

Der M. levator labii superioris entspringt unmittelbar unterhalb des Margo infraorbitalis und strahlt in die Haut der Oberlippe ein. Er beteiligt sich ebenfalls an der Hebung der Oberlippe. Die drei letztgenannten Muskeln bilden eine durchgehende muskulöse Platte.

 

Der M. depressor labii inferioris enstpringt an der Basis der Mandibula unterhalb und medial des Foramen mentale, teilweise bedeckt vom M. depressor anguli oris, und verläuft nach medial oben, um in den M. orbicularis oris einzustrahlen. Durch seine Kontraktion wird die Unterlippe abwärts gezogen.

 

Die tiefe Schicht der mimischen Muskulatur besteht aus dem M. corrugator supercilii, dem M. levator anguli oris, dem M. buccinator und dem M. mentalis. Der M. corrugator supercilii hat seinen Ursprung am Stirnbein oberhalb der Nasenwurzel und strahlt in die Haut über der Augenbrauenmitte ein. Durch seine Kontraktion entstehen senkrechte Falten über der Nasenwurzel.

 

Der M. levator anguli oris entspringt von der Maxilla unterhalb des Foramen infraorbitale und strahlt in den Mundwinkel ein. Er beteiligt sich an der Hebung des Mundwinkels.

 

Der M. buccinator bildet die muskuläre Grundlage für die Wange. Er entspringt an den Alveolarfortsätzen der Maxilla und der Mandibula auf Höhe des 1. bis 2. Molaren und an der Raphe pterygomandibularis. Seine Fasern strahlen so in den Mundwinkel ein, dass die oberen Fasern nach unten und die unteren Fasern nach oben verlaufen und sich im Bereich des Modiolus überkreuzen. Durch seine Kontraktion ist ein Herauspressen der Luft aus dem Mund (Blasen) möglich, andererseits verhindert er das Einklemmen der Wangenschleimhaut zwischen den Zahnreihen beim Kauen. Außerdem kann er die Mundspalte zur Seite ziehen.

 

Der M. mentalis entspringt von den Juga alveolaria des Unterkiefers auf Höhe der Schneidezähne und verläuft schräg nach medial und unten zur Haut des Kinns. Bei Kontraktion zieht er die Kinnhaut nach oben, und es entstehen die quere Mentolabialfurche und kleine Grübchen in der Haut („Pflastersteinkinn“). Gemeinsam mit dem M. orbicularis oris kann er die Unterlippe vorstülpen („Flunsch“).

Korrespondenz-Adresse

Dr.med. Ulrike Pilsl
Institut für Anatomie, MUG
Harrachgasse 21
AT-8010 Graz
ulrike.pilsl@meduni-graz.at

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