Originalie
Placebo: Ein interessantes Phänomen und seine Bedeutung für die medizinische Praxis
PLAZEBO: AN INTERESTING PHENOMENON AND ITS SIGNIFICANCE FOR MEDICAL PRACTICE
Keywords | Summary | Correspondence | Literature
Keywords
active substance, extended medicine, German Medical Association, placebo effect, suggestion
Schlüsselworte
Bundesärztekammer, Extended Medicine, Placebo-Effekt, Suggestion, Wirkstoff
Summary
The placebo phenomenon shows us that in order to improve any therapy, the focus should not be solely on optimizing the treatment, but also on the therapeutic setting and the communicative parts of the treatment situation. The fact that the placebo has arrived in medicine as a positive vehicle gives hope that the two aspects of human existence, body and mind, can be brought back together into a unity and thus increase therapeutic effectiveness.
Zusammenfassung
Das Phänomen Placebo zeigt uns, dass zur Verbesserung jeder Therapie der Fokus nicht allein auf die Optimierung der Behandlung, sondern auch auf das therapeutische Setting und die kommunikativen Anteile der Behandlungssituation zu richten ist. Dass das Placebo in der Medizin als positives Vehikel angekommen ist gibt Hoffnung, die beiden Aspekte menschlicher Existenz, Körper und Geist, wieder zu einer Einheit zusammenzuführen und dadurch die therapeutische Effektivität zu erhöhen.
Die aktuelle Studienlage
„Das ist doch höchstens ein Placebo Effekt.“ Mit solchen und ähnlichen Äußerungen wird gegen alternative und komplementäre Heilmethoden vorgegangen. Insbesondere wird gegen die Homöopathie und andere energetische Heilmethoden zu Felde gezogen. Beschäftigt man sich jedoch mit dem Effekt oder Phänomen der Placebo Wirkung, lassen sich ganz viele wichtige Informationen gewinnen.
Grundlage dieser Publikation ist eine Veröffentlichung der Bundesärztekammer aus dem Jahre 2010. Diese Institution ist wohl auch für jeden Kritiker der Extended Medicine (Alternativ-, Komplementärmedizin) akzeptabel. Die Veröffentlichung lautet: Placebo in der Medizin – eine Stellungnahme. Herausgegeben von der Bundesärztekammer auf Empfehlung ihres Wissenschaftlichen Beirats. (siehe QR Code am Ende)
Placebo-kontrollierte randomisierte Doppelblindstudien
Wie bekannt, werden Medikamente einer genauen Wirkungsprüfung unterzogen, bevor sie zugelassen werden. Dies sind die so genannten Phase I, II und III Studien, die auch Laien bei der Zulassung der Corona Impfstoffe kennengelernt haben. Man spricht bei solchen Studien von randomisierten, placebo-kontrollierten Doppelblindstudien. Hier nochmals zur Auffrischung eine kurze Definition: Doppelblind heißt, dass für eine Studie mindestens zwei Gruppen von Probanden ausgewählt werden, die möglichst in etwa gleich groß sein sollten. Die eine Gruppe erhält den Wirkstoff (das Verum), die andere Gruppe erhält ein Placebo. Placebo bedeutet hier, dass keinerlei Wirkstoff in dem Stoff, den die Patienten zu sich nehmen, enthalten sein darf. Kein Patient weiß, in welcher der beiden Gruppen er sich befindet („blind“), weil Wirkstoff und Placebo gleich aussehen. Randomisierung bedeutet, dass die Zulassung der Probanden zu den beiden Gruppen nach dem Zufallsprinzip erfolgt.
Auch die Ärzte, die die Studie praktisch durchführen, wissen nicht, welcher Patient in welcher Gruppe ist, deshalb „doppelblind“. Man hat diese Methode entwickelt, damit man die „tatsächliche“ Wirkung auf den Körper des zu untersuchenden Stoffes herausfindet. Man hatte nämlich bemerkt, dass viele Patienten eine positive Wirkung entfalten aus verschiedenen Gründen, weil sie an die Wirkung glaubten, weil sie an das glaubten, was der Arzt ihnen erzählt hat, weil sie auf eine Verbesserung ihres Zustandes durch die Teilnahme an der Studie hofften oder weil der Arzt ihnen besonders sympathisch war. Kurz gesagt, neben der körperlichen Wirkung spielte offenbar die Psyche der Probanden eine wichtige Rolle für die Wirkung. Doppelt verblindete Studien waren früher nicht üblich. Man ließ Medikamente zu, die in Studien eine sehr gute Wirkung entfalteten, die aber später dann nach der Zulassung nicht an die guten Ergebnisse heranreichten.
Inwieweit man tatsächlich durch dieses Studiendesign zu scheinbar objektiveren Ergebnissen gelangt, ist eine der Fragen, die hier diskutiert werden soll.
Zur Bedeutung des Placebo Effektes für jeden Behandler soll hier aus dem Vorwort der Stellungnahme zitiert werden: „Diese Stellungnahme des AK Placebo (= Arbeitskreis Placebo, bestehend aus 12 Personen, Anm. Autor) soll dazu beitragen, das Bewusstsein in der Ärzteschaft dafür zu schärfen, dass der Placeboeffekt bei jeder Behandlung, auch bei einer Standardtherapie auftritt. Deshalb empfiehlt die Arbeitsgruppe, Ärztinnen und Ärzten bereits in der Ausbildung sowie in der Fort- und Weiterbildung tiefergehende Kenntnisse der Placeboforschung zu vermitteln, um erwünschte Arzneimittelwirkungen zu maximieren, unerwünschte Wirkungen von Medikamenten zu verringern und Kosten im Gesundheitswesen zu sparen.“ (Vorwort S. VIII + 186)
Die enge und die weite Definition vom Placeboeffekt
Die enge Definition lautet, dass der Proband etwas zu sich nehmen muss, die weite lautet, dass dies nicht notwendig ist, sondern dass die Arzt-Patient Interaktion reicht. Die Autoren gehen übrigens explizit auch darauf ein, ob man den Placeboeffekt einer einzelnen Therapie z.B. aus dem komplementären Spektrum zuordnen kann wie der Homöopathie. Dies wird ausdrücklich verneint, weil der Effekt in jeder therapeutischen Praxis eine Rolle spielt. Zwar könne man die Homöopathie durchaus mit dem Placeboeffekt zu erklären versuchen, die Autoren lehnen dies jedoch ab: „Da zwischen beiden Intentionen (hochverdünnte homöopathische Arzneimittel versus pharmakologisch wirksame Substanzen, Anm. des Autors) jedoch ein Graubereich liegt und um Begriffsverwirrungen zu vermeiden, scheint es in der therapeutischen Alltagspraxis sinnvoller, die Diskussion über Placebo im Allgemeinen und Wirksamkeit von Therapieverfahren getrennt zu führen. (S. 12)
Es ist schon fast ein Treppenwitz der Medizingeschichte, dass ausgerechnet Samuel Hahnemann, der Begründer der Homöopathie, bei seinen Patienten als erster in Deutschland mit Placebos gearbeitet hat. Der Hintergrund war, dass die Patienten bei Hahnemann die Globuli nur in großen Abständen verabreicht bekamen. Das sah er als Nachteil an, weil die Patienten, die allopathisch behandelt wurden, täglich medikamentiert wurden. Deshalb verabreichte er seinen eigenen Patienten Milchzucker in der Zwischenzeit, damit die Patienten das Gefühl hatten, täglich behandelt zu werden.
In der Praxis unterscheidet man auch noch zwischen reinen Placebos und unreinen oder Pseudo-Placebos. Letztere sind solche, die durchaus einen Wirkstoff haben können, der aber nichts mit der Medikation für eine Diagnose zu tun hat. Dies passiert in ärztlichen Praxen durchaus öfter als wir uns dies denken. Wenn der Arzt annimmt, dass sich der Patient in einen Zustand hineingesteigert hat und in Wirklichkeit keine Erkrankung vorliegt, verschreibt er zur Beruhigung ein Medikament, das zwar Wirkungen hat, aber keine Wirkung auf den beschriebenen Zustand des Patienten. Dies geschieht dann zur Beruhigung. Die Verschreibung von Antibiotika bei Grippeviren ist ein Beispiel dafür. Dieses Verhalten wird natürlich sehr umfangreich diskutiert in der Publikation, sowohl unter ethischen als auch juristischen Gesichtspunkten.
Und dann gibt es auch noch den Nocebo (lateinisch: Ich werde schaden) Effekt. Man kann einen Patienten durch Äußerungen auch krank machen, ihn also negativ beeinflussen, beim Placebo wird ja bekanntlich positiv beeinflusst.
Suggestion, Spiegelneuronen und Bio-Feedbackmechanismen
In jedem Fall spielt eine Art von positiver Suggestion eine Rolle bei der Placebowirkung, sei es nun Auto-Suggestion oder Suggestion durch äußere Bedingungen wie den Arzt oder die Therapiesituation, also das therapeutische Setting. Darf man davon ausgehen, dass alle Patienten gleich stark auf Placebos reagieren? Erstmals wurde in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts in einer Meta Analyse festgestellt, dass bei Patienten ca. 35 % stark auf den Placeboeffekt reagierten (Responder Konzept). Das ist zwar eine ziemlich große Zahl, aber: Es ist davon auszugehen und damit der Stellungnahme zu folgen, dass eigentlich alle Patienten beeinflusst werden, weil Placebo ein natürlicher und wichtiger Bestandteil einer Therapie ist. Es hängt jedoch von den Bedingungen ab, wie stark die positive Beeinflussung bei jedem Einzelnen ist.
Positive Beeinflussung kannten in der Vergangenheit bereits die Schamanen der Naturvölker, deren therapeutisches Setting sehr ausgeklügelt war und die deshalb auch sehr gute Heilerfolge verzeichnet haben. Claude Levy-Strauss, der bekannte Ethnologe und Strukturalist, hat eine strukturalistische Beschreibung schamanistischer Heilung vorgelegt. Heilung ist ein psycho-physischer Prozess der Einwirkung auf den Kranken und die Gruppe, in der er lebt, der in ritualisierter Form geschieht. Krankheit wird definiert als Störung eines umfassenderen Systems, der Gruppe, des Clans oder des Dorfes. Aufgabe des Schamanen ist es, dem Kranken seine Probleme bewusst zu machen, damit sie dem Gruppenorganismus präsent werden und sich damit integrieren lassen. Die Krankheit gilt erst dann als geheilt, wenn die Integration abgeschlossen ist und der Gruppenorganismus wieder harmonisch funktioniert.
In jüngerer Zeit hat uns die Wissenschaft mit dem Phänomen der Spiegelneuronen bekannt gemacht. Dies bedeutet, dass sich in unserem Gehirn neuronale Prozesse abspielen, die sich von Mensch zu Mensch übertragen. Dies scheint eine mögliche Erklärung für einen wichtigen Teil des Effektes zu sein, der Interaktion zwischen Arzt und Patient.
Im weiteren Verlauf der Untersuchung des Phänomens Placebo wurde deutlich, dass unser Geist auch unseren Körper beeinflussen, der Effekt also nicht nur psychisch gesehen werden kann. Dies wurde deutlich, als man sich mit den Endorphinen beschäftigte. Endorphine, die körpereigenen Glückshormone, können auch durch den Placeboeffekt ausgeschüttet werden und so z.B. Schmerzen positiv beeinflussen (S. 28f).
Weitere Ergebnisse der Stellungnahme
Die in der Stellungnahme der Bundesärztekammer verfassten Empfehlungen versuchen, die neuen Erkenntnisse zum Placebo Geschehen zu vermitteln:
“Will man den Gesamt-Nutzen für den Patienten optimieren, so empfiehlt sich:
- Die Steigerung der Qualität der Arzt-Patient-Interaktion durch folgende Schritte anzustreben:
– Das Vertrauen des Patienten zu gewinnen. Dies ist für den Arzt zwar „kommunikationsintensiv“, aber zugleich entscheidend.
– Empathie zu entwickeln, weil sie den Behandlungserfolg positiv beeinflusst. Die Empathie ist die Fähigkeit, die Situation des Patienten nachzuempfinden, dieses zu kommunizieren und auf der Basis des Mitempfindens dem Patienten therapeutisch zu helfen.
– Fachkompetenz zu kommunizieren. Diese wird glaubwürdig durch Weiter- und Fortbildung, Psychosoziale Kompetenz, (Praxis)-Organisation, Ausstattung und Qualitätsmanagement aufgezeigt. “ (S. 171)
Die hier ausgesprochenen Empfehlungen sind zunächst durchweg positiv zu bewerten.
Es ist jedoch an dieser Stelle auf die Tatsache einzugehen, dass augenblicklich unsere gesamte gesellschaftliche Organisation an ihre Grenzen kommt und sich durch beständige verstärkende Rückkopplungsprozesse zunehmend destabilisiert, dass mithin sowohl der Austausch des Arztes als auch des Patienten im gesellschaftlichen Netzwerk gestört wird. Die Entfremdung, die sich durch Marktmechanismen der Konkurrenz gesteuert die ganze Zeit exponentiell entwickelt, macht auch vor der Arzt-Patient Interaktion nicht halt. Der Arzt ist vielfältigen ökonomischen Zwängen unterworfen, die einen Widerspruch zu seiner Arztrolle bilden, die er aber auch nicht einfach verändern kann.
Empathie ist nur dann zu entwickeln, wenn die individuellen, gesellschaftlichen und natürlichen Bedürfnisse von beiden, Arzt und Patient, mit den Anforderungen an die therapeutische Situation kongruent sind, also gleiche Interessen vorliegen. Empathie ist, weil sie auf gefühlsmäßiger Basis existiert, nicht erlernbar, sondern nur erlebbar. Die Anforderungen an den Arzt sind deshalb so beschaffen, dass zu seiner Aufgabe gehört, einen höheren, mit der Natur und dem Universum in Einklang stehenden Sinn seiner ärztlichen Tätigkeit und Interaktion zu entdecken („seine Verbindung zum Geist stärken“ würde der schamanistische Heiler sagen), allein dies kann zur Erkenntnis der Verbundenheit mit dem Patienten und damit zur Entstehung von Empathie führen trotz entfremdender Bedingungen, die deshalb Solidarität fördern können, weil beide, Arzt und Patient, ihnen gleichermaßen unterworfen sind.
„Adäquate Ausfüllung der Rollen von Arzt und Patient Die Art und Weise, wie Arzt und Patient ihre jeweilige Rolle einnehmen, kann dazu beitragen, jene Faktoren zu fördern, die sich auf die medizinische Intervention auswirken. Je nach Tätigkeitsfeld des Arztes und der Krankheitssituation (z. B. chronische Krankheit, Befindlichkeitsstörungen) ergeben sich hinsichtlich der Relevanz und Bedeutung der Arzt-Patient-Interaktion Unterschiede. Das Paradoxon der Wirksamkeit „unwirksamer“ Maßnahmen bei besonderer Befähigung von Ärzten mit hoher sozialer und kommunikativer Kompetenz ist für naturwissenschaftlich geprägte Mediziner schwer zu akzeptieren, aber existent. Es ergibt sich somit das Risiko, dass übertrieben kritisch auf interne Validität der Wirksamkeit fixierte Ärzte den additiven Gewinn durch die unspezifischen Effekte (u. a. des Placeboeffektes) verschenken. Dem ist durch Aus- und Weiterbildung entgegenzuwirken.
Ein partnerschaftlich gestaltetes Arzt-Patient-Verhältnis, auch unter Einbeziehung des jeweiligen Lebenspartners, hilft den therapeutischen Effekt zu maximieren. “ (S. 171)
Die Psyche des Arztes und des Patienten wirken die ganze Zeit auf die therapeutische Situation ein. Spiegelneuronen sind in der Lage, materielle (biochemische) Prozesse in beiden Körpern auszulösen. Die Tendenz, nicht nur den Patienten, sondern seine Beziehungen in den Heilungsprozess zu integrieren, weist Ähnlichkeiten zum schamanistischen Heilungsprozess auf.
„3. Ausgestaltung des therapeutischen Settings
Für die Optimierung des therapeutischen Settings sind u. a. die Ausgestaltung der Praxis und die Kompetenz sowie die Freundlichkeit des Personals wesentlich.“ (S. 172)
Das therapeutische Setting kann analog zum schamanistischen Heilungsprozess als Aufbau einer ritualisierten Therapiesituation gesehen werden, jedoch unter modernen Bedingungen. Für die Psychoanalyse bestand das therapeutische Setting aus Sofa und Therapeutenstuhl, das freies Assoziieren ermöglichen sollte und stark ritualisiert war. In jeder Ethnie ist jede therapeutische Situation eingebettet in ein therapeutisches Setting, welches die Durchführung ritualisierter Handlungsschemata ermöglicht. Dazu gehört die Ausgestaltung des Ritualraumes ebenso wie die Beteiligung der Gruppe. Das moderne therapeutische Setting ist dem schamanistischen Setting strukturell gleich, obwohl sich seine Erscheinungsformen gewandelt haben. Insofern kann der Heilberufler, indem er sein Setting für ritualisierte Handlungen öffnet, dem therapeutischen Geschehen stärkere Wirkung verleihen.
„4. Verbesserung der verbalen und non-verbalen Kommunikation
Der Therapieerfolg hängt nicht zuletzt vom Kommunikationsverhalten des Arztes ab, dessen Pflege ebenso wie die Anwendung der körperlichen Untersuchung nachdrücklich empfohlen wird. Sprach- und Kulturbarrieren sind so niedrig wie möglich zu halten.
Für die Umsetzung dieser Erkenntnisse spielen die sozioökonomischen, gesundheits- und berufspolitischen Bedingungen sowie die Aus-, Fort- und Weiterbildung eine wichtige Rolle.
Die derzeitigen Voraussetzungen sind nicht optimal.
Man verschenkt einen je nach Krankheitssituation und Persönlichkeit beachtlichen Teil der Behandlungsmöglichkeiten, wenn man das Placebo-Thema in Aus- und Weiterbildung weiterhin vernachlässigt“. (S. 172)
Das gesamte Thema der Kommunikation ist nicht einfach abhandelbar, dazu gibt es zu viele Aspekte dabei zu beachten und es muss deshalb in diesem Artikel vernachlässigt werden (siehe dazu die Videoschulung von Volker Schrader im Netzwerk Shop). Richtig ist jedoch, dass in jeder therapeutischen Situation die Kommunikation eine mitentscheidende Rolle für den Behandlungserfolg hat.
Viele Verkaufsschulungen für Heilberufler beschäftigen sich mit einfachen Kommunikationsmodellen, die ausschließlich von den Interessen nach z.B. Mehrverkauf von IGeL Leistungen gesteuert werden. Diese Art von Schulungen jedoch sind nicht mit Kommunikation gemeint.
Die Ergebnisse der sozialen Intelligenz genannten Gehirnforschung sozialer Interaktion haben gezeigt, dass 2 Gesprächspartner sich in ihren Bewegungen wie bei einem Tanz harmonisieren, dass dieselben Hirnregionen angeregt werden und sogar die Atmung synchronisiert wird. Die in einem kontinuierlichen Prozess entstehenden neuronalen Muster werden über Stoffwechselprozesse in allen Zellen des menschlichen Körpers gespeichert und beeinflussen den Mechanismus der Genexpression und damit das individuelle Verhalten.
Schlussfolgerungen
Ein neues Rollenbild des Mediziners zeichnet der Schriftsteller Noah Gordon in seinem historischen Roman Medicus. In der Gegenüberstellung der Rolle des „Heilers“ und des „Medicus“, die im Verlaufe der Handlung in der Person des Hauptprotagonisten zusammengeführt werden, bildet sich ein neues Rollenmodell heraus. Der Heiler ist definiert durch Intuition und Empathie, die jahrhundertealte Erfahrung von pflanzlichen, tierischen oder anorganischen Wirkstoffen sowie einer Verbindung zu etwas Größerem (dem Geist), die ihn den Krankheitsverlauf vorausahnen lässt. Der Medicus ist der auf Basis des von Descartes entwickelten Dualismus praktizierende Arzt unserer heutigen Welt, der dem Heiler die Kenntnis des Aufbaus des menschlichen Körpers voraushat. Die neuen Herausforderungen der Medizin führen dazu, dass die Zusammenführung dieser beiden Welten, der dualistischen und der systemischen, in einem neuen Rollenbild des Mediziners verschmelzen, und dies gilt nicht nur für den Roman.
Die kollabierenden Gesundheitssysteme, die Konzentration und Organisation finanzieller Investitionen nur auf dualistische Heilansätze (Trennung von Körper und Geist, induktive Methodik der Wissensaneignung), der Umgang mit neuen Erscheinungsformen von Krankheit, den Zivilisationskrankheiten mit ihren multisymptoriellen Krankheitsbildern, die konstant hohe Hinwendung der Patienten zu alternativen Heilmethoden, die neuen Forschungen zu systemischen Phänomenen in der Genetik und Neurologie, die nun endlich mögliche Verbindung von psychischen und biologischen Wechselwirkungen, all diese Prozesse werden die Aufnahme eines erweiterten Rollenverständnisses des Heilberuflers und der daraus resultierenden Arzt-Patient Interaktion forcieren und begünstigen.
Wenn der Placebo Effekt eine nicht zu unterschätzende Rolle bei jedem Heilungsprozess spielt, ist auch die Form der heutigen Art von Studien in Frage zu stellen, denn wenn es nicht ohne geht, hat der Placebo Effekt auch nach einer Zulassung eine große Bedeutung dafür, ob ein Medikament wirkt oder nicht. Und dies gilt nicht nur für Medikamente, sondern gleichermaßen für ästhetische Behandlungen.
All diese Erkenntnisse sind schwierig zu akzeptieren von denjenigen, die davon ausgehen, dass durch Studien allein objektive Wahrheiten erlangt werden. Erkenntnisgewinn wird durch die Existenz des Placebo Phänomens allerdings nicht einfacher, nur anders. Der Placebo Effekt ist nicht zu verdammen, sondern sollte von allen begrüßt werden, weil er zeigt, dass Geist und Materie im Gegensatz zur Annahme Descartes – untrennbar zusammengehören. Er bedarf – so auch die Aussage der Autoren der Stellungnahme – weitergehender Untersuchung, denn schließlich ist er ein wesentlicher Bestandteil jeder Therapie und sein Wirkmechanismus noch nicht vollständig entschlüsselt.
Link zum Download der Stellungnahme:
Korrespondenz-Adresse
Dr. med. Michael Dirk Wagener
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info@praxis-wagener.ch
Conflict of Interests
Michael Dirk Wagener ist Repräsentant und Dozent des Netzwerk Extended Medicine.