Case Study


Orofaziale Granulomatose

Orofacial Granulomatosis

(NACH CARE-LEITLINIE)

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Keywords

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Schlüsselworte

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Summary

We report on a 33-year-old female patient with a progredient lip swelling. Skin biopsy and histological investigations confirmed the clinical diagnosis of cheilitis granulomatosa. Clinical features and treatment options are discussed.

Zusammenfassung

Wir berichten über eine 33-jähriige Patientin mit progredienter Lippenschwellung. Die histologische Untersuchung einer Hautbiopsie bestätigte die klinische Verdachtsdiagnose eine Cheilitis granulomatosa. Klinik und Therapie der Erkrankung werden dargestellt.


Juliane Runge, Uwe Wollina

FALLBERICHT

In unserer Klinik stellte sich eine 33-jährige Patientin vor, die seit Oktober 2007 eine persistierende, langsam progriente isolierte zeigte. Subjektiv klagte die Frau über ein Brennen, Spannungs- und Taubheitsgefühl. Bei der sorgfältigen klinischen Untersuchung fanden sich weder eine Fazialisparese, noch eine Lingua plicata.

 

An Nebenerkrankungen waren eine Psoriasis palmoplantaris und eine orale Allergie ggü. Apfel und Erdbeere bekannt. Es wurden keine Medikamente eingenommen. Der internistische Status war unauffällig.

 

Hautbefund

Bei der stationären Aufnahme im Juni 2008 war die Oberlippe diffus geschwollen, das Philtrum war verstrichen (Abb. 1). Das Cavum oris war komplett unauffällig. Wir entnahmen in Lokalanalgesie eine tiefe Hautbiopsie für die histologische Diagnostik.

 

Histologie

In der gesamten Dermisbreite bis hinein ins subkutane Fettgewebe finden sich wenige, locker konfigurierte Epitheloidzellgranulome mit mehrkernigen Riesenzellen vom Fremdkörper und Langhans-Typ. Diese zeigen eine teils schüttere, teils mitteldichte lymphozytäre Infiltration jedoch keine auffällige Fibroseneigung. Daneben finden sich wechselnd dichte lymphoplasmazelluläre Entzündungsinfiltrate vorzugsweise in perivaskulärer Lokalisation in allen Dermisetagen und örtlich auch im subkutanen Fettgewebe. Das dermale Bindegewebe erscheint darüber hinaus ödematös aufgelockert mit oberflächlichen Angiektasien (Abb. 2).

 

Laborbefunde

Pathologisch war der Hb mit 6,8 mmol/l. Die C1-Esterase- Inhibitor-Konzentration und -Aktivität waren im Normbereich. ANA waren negativ. Die Tryptase lag im Normbereich. Eine Prick- und Scratch-Testung (Gelatine, Paracetamol, Lidocain 1 %, Benzalkoniumchlorid, Kamille in Vaseline, Grippostad, Gräser/Pollen, Hund, Katze, Weizen-/Roggenmehl, Hering, Hasel-/Walnuss, Orange, Apfel, Erdbeere, Pfefferkorn, Selleriemehl) ergab für Orange, Selleriemehl und Erdbeere sowie für Kamille einen positiven Befund. Eine Epikutantestung der Standard-, Duftstoff- (inkl. Aufschlüsselung) und Zahntechniker-Reihe blieb negativ. Die orale Expositionstestung mit Nahrungsmittelzusatzstoffen war unauffällig.

 

Abb.1: Lokalbefund einer isolierten Oberlippenschwellung (a) frontal, (b) im Profil.

Abb.1: Lokalbefund einer isolierten Oberlippenschwellung (a) frontal, (b) im Profil.

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Therapie und Verlauf

Nach Erhalt des Histologiebefundes begannen wir eine interne Therapie mit Clofazimin (Lamprene®). Bei einer ambulanten Vorstellung im Januar 2009 war der Lokalbefund nach einer Therapie mit Clofazimin über . Jahr (7 Tage 1 Tbl., anschließend nur 3 Tbl./Woche für Jahr) nur unwesentlich gebessert. Die subjektiven Beschwerden mit Brennen und Taubheitsgefühl bestanden nach wie vor. Zusätzlich bemerkte die Patientin einen beginnenden Übergang der Symptomatik auf die Unterlippe. Wir begannen deshalb eine Intervall-Therapie mit Prednisolon 30 mg/die (4 Tage Predisolon, 3 Tage Pause), die je nach klinischem Ansprechen im Verlauf auf 20 mg/die reduziert werden soll. Darunter kam es zu einem partiellen Ansprechen.

 

Histologie; links Übersicht (HE, x4), rechts Detail (HE, x20).

Histologie; links Übersicht (HE, x4), rechts Detail (HE, x20).

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DISKUSSION

Die Ursache für eine Cheilitis granulomatosa ist unbekannt. Für die Diagnose ist die Histologie unerlässlich. Die Erkrankung gehört sowohl zur Trias des Melkersson-Rosenthal-Syndroms als auch zur oralen Manifestation des Morbus Crohn. Da histologisch keine sichere Abgrenzung möglich ist, bleibt die Klinik in der Differenzierung führend. Als Überbegriff hat sich der Terminus orofaziale Granulomatose eingebürgert [1].

 

Extra-orofaziale Manifestationen wie die granulomatose Vulvitis und Perivulvitis wurden in Einzelfällen beschrieben [2]. Eine mögliche Assoziation zur Hashimoto-Thyreoiditis wurde diskutiert. Hierfür fanden sich bei unserer Patientin allerdings keine Hinweise. Im vorliegenden Fall sind auch die Nahrungsmittelallergien nicht als Ursache der Cheilitis anzunehmen. Differenzialdiagnostisch ist eine große Palette von Erkrankungen zu bedenken wie Lippen-Kontaktekzeme, Cheilitis facticia, Quincke-Ödem, Latex-Kontakturtikaria, ein lokalisiertes Lymphödem nach rezidivierenden Herpes simplex-Infektionen, ein kutanes T-Zell-Lymphom, Schwannom, persistente Fremdkörperreaktion, Leishmaniose, seltene Systemmykosen [3–8].

Korrespondenz-Adresse

Prof. Dr. Uwe Wollina
Klinik für Dermatologie und Allergologie
Krankenhaus Dresden-Friedrichstadt, Städtisches Klinikum
Akademisches Lehrkrankenhaus der TU Dresden
Friedrichstraße 41
D-01067 Dresden
Wollina-uw@khdf.de

Konklusion

Der Verlauf der Erkrankung ist chronisch. Nur in seltenen Fällen soll es auch einmal zur Spontanremission kommen. Die systemische Gabe von Glukokortikoiden (Prednisolon 40–60 mg/die über 2–4 Wochen, dann schrittweise reduzieren) ist in schweren Fällen indiziert. Die intraläsionale Injektion von Kortikoid- Kristallsuspension, orale Gabe von Dapson, Minozyklin und Roxithromyzin wurden beschrieben [1, 9]. Studien liegen hierzu nicht vor. Clofazimin gilt international als Mittel der Wahl [10] – allerdings im Off-label-use. Wie unser Fall zeigt, gibt es aber auch hierbei Therapieversager. Bei kosmetisch sehr störenden und den Patienten belastenden Hautbefunden kann eine chirurgische Verkleinerung der Lippe erwogen werden.

Literatur

1. Van der Waal RI, Schulten EA, van de Scheur MR, Wauters IM, Starink TM, van der Waal I (2001) Cheilitis granulomatosa. J Eur Acad Dermatol Venereol 15: 519-521.
2. Knopf B, Schaarschmidt H, Wollina U (1992) Monosymptomatisches Melkersson-Rosenthal-Syndrom mit nachfolgender Vulvitis und Perivulvitis granulomatosa. Hautarzt 43: 711-713.
3. Srivastava N, Mishra N, Singh S (2008) Erythematous indurated swelling on nose and upper lip. Cutaneous T cell lymphoma. Dermatol Online J 14:16.
4. Yilmaz MD, Tokyol C, Dereköy FS, Altunta A (2004) Schwannoma of the upper lip: a case report. Kulak Burun Bogaz Ihtis Derg 12: 42-44.
5. Patel H, Bhatia L, McQueen G, Moorman J (2008) Persistent upper lip swelling caused by foreign body infection: a case report. South Med J 101: 651-653.
6. Veraldi S, Bottini S, Persico MC, Lunardon L (2007) Case report: Leishmaniasis of the upper lip. Oral Surg Oral Med Oral Pathol Oral Radiol Endod 104: 659-661.
7. Barro-Traoré F, Ouédraogo D, Konsem T, Ouédraogo MS, Lompo-Goumbri O, Sanou A, Ouoba K, Traoré A (2008) Conidiobolomycosis, a rare fungal tumor: a case report in Ouagadougou, Burkina Faso. Bull Soc Pathol Exot 101: 14-16.
8. Alakloby OM (2007) Differential diagnosis of lip swelling (Macrocheilia). Kosmet Med 28: 52-60.
9. Ishiguro E, Hatamochi A, Hamasaki Y, Ischikawa S, Yamazaki S (2008) Successful treatment of granulomatous cheilitis with roxithromycin. J Dermatol 35; 598-600.
10. Ridder GJ, Fradis M, Löhle E (2001) Cheilitis granulomatosa Miescher: treatment with clofazimine and review of literature. Ann Otol Rhinol Larygnol 110: 964-967.

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