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Forscher entschlüsseln einen Mechanismus bei schweren Hautinfektionen

Antje Karte, Eberhard Karls Universität Tübingen

 

Zuckerpolymere der äußeren Zellhülle von Staphylococcus aureus führen zu besonders aggressivem Krankheitsverlauf – Ansatzpunkt für mögliche Therapie

 

Staphylococcus aureus gehört zu den am meisten gefürchteten multiresistenten Erregern. Vor allem bei Menschen mit geschwächtem Immunsystem verursacht das Bakterium oft lebensbedrohliche Infektionen. In den letzten Jahren sind weltweit besonders aggressive Stämme von S. aureus aufgetaucht, sogenannte „Community-Associated Methicillin-Resistant Staphylococcus aureus“ oder CA-MRSA, die selbst bei gesunden Menschen schwerwiegende Infektionen von Haut und Gewebe auslösen können. Forscherinnen und Forscher des Interfakultären Instituts für Mikrobiologie und Infektionsmedizin Tübingen (IMIT) und des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF) konnten nun einen wesentlichen Mechanismus dieses Infektionsgeschehens entschlüsseln. Die Ergebnisse wurden am Montag im Fachmagazin Nature Microbiology veröffentlicht.

Das Zellhüllen-Zuckerpolymer Wandteichonsäure (WTA) von Staphylococcus aureus spielt bei der Entwicklung von Hautinfektionen eine Rolle.

Die Forschergruppe konnte zeigen, dass CA-MRSA-Stämme ihre äußere Zellhülle durch den vermehrten Einbau eines langkettigen Zuckerpolymers, der Zellwand-Teichonsäure, verändern können. „Es ist bekannt, dass vor allem CA-MRSA verstärkt Toxine ausschütten, was zum schwerwiegenden Verlauf der Hautinfektionen maßgeblich beiträgt“, sagte Dr. Christopher Weidenmaier, der Leiter der Forschungsgruppe: „Wir konnten nun zusätzlich nachweisen, dass der verstärkte Einbau des Zuckerpolymers in die Zellhülle bei Hautinfektionen zu einer veränderten Immunreaktion führt.“ Dies verstärke im Tiermodell die Fähigkeit dieser aggressiven Bakterien, besonders schwerwiegende Hautinfektionen zu erzeugen. Um zu klären, ob die Ergebnisse auf den Menschen übertragbar sind, müssen weitere Versuche durchgeführt werden.

Die Autoren waren in der Lage, die molekularen Mechanismen genauer zu entschlüsseln, die dem Umbau der Zellhülle zugrunde liegen. Dies eröffnet für die Zukunft die Möglichkeit, bei schweren, durch CA-MRSA-Stämme ausgelösten Hautinfektionen den Umbau gezielt zu hemmen. „Ein solcher Therapieansatz würde dem menschlichen Immunsystem die Chance geben, die Infektion selbst effizienter zu bekämpfen“, sagte Weidenmaier. Solche sogenannten Anti-Virulenz-Strategien werden in letzter Zeit vermehrt untersucht; hier wird nicht der Erreger selbst bekämpft, sondern seine pathogene Wirkung vermindert. „Im Gegensatz zur klassischen Antibiotikatherapie sollte eine Anti-Virulenz-Strategie zu geringeren Resistenzraten führen“, erklärte der Forscher: „Weil die bakterielle Zelle weder abgetötet noch in Ihrem Wachstum gehemmt wird, unterliegt sie einem geringeren Selektionsdruck.“

Publikation:
Stefanie Wanner, Jessica Schade, Daniela Keinhörster, Nicola Weller, Shilpa E. George, Larissa Kull, Jochen Bauer, Timo Grau, Volker Winstel, Henriette Stoy, Dorothee Kretschmer, Julia Kolata, Christiane Wolz, Barbara M. Bröker and Christopher Weidenmaier: Wall teichoic acids mediate increased virulence in Staphylococcus aureus. Nature Microbiology, 23. Januar 2017. doi:10.1038/nmicrobiol.2016.257

Kontakt: 
Dr. Christopher Weidenmaier
Universität Tübingen
Interfakultäres Institut für Mikrobiologie und Infektionsmedizin Tübingen
Tel. +49 7071 29-81526
christopher.weidenmaier [at] med.uni-tuebingen.de

Neue Studie zeigt, wie Staphylococcus aureus das Immunsystem überlistet

Wissenschaftler des Instituts für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene an der Universität des Saarlandes befassen sich mit den krankmachenden Mechanismen des Bakteriums Staphylococcus aureus, insbesondere mit einem von diesem Erreger produzierten Protein, dem „Extrazellulären Adhäsivprotein“ (Eap). Gemeinsam mit Forschern aus den Niederlanden und den USA haben sie jetzt erstmals beschrieben, dass Eap-Moleküle bestimmte eiweißspaltende Enzyme, die für die Immunabwehr verantwortlich sind, sogenannte Neutrophile Proteasen, außer Kraft setzen. Damit könnte eine neue Klasse von Substanzen zur Therapie überschießender Immunreaktionen entdeckt sein.

 

 

Die Forschungsergebnisse werden im Laufe der Woche in der renommierten US-amerikanischen Fachzeitschrift „Proceedings of The National Academy of Sciences, USA“ veröffentlicht.

 

Bakterien mit dem Namen Staphylococcus aureus sind Erreger harmloser Hautinfektionen, können aber unter bestimmten Umständen auch schwere, zum Teil lebensbedrohliche Organinfektionen oder Blutvergiftungen hervorrufen. Eine besondere Rolle in Krankenhäusern spielen multiresistente Varianten dieser Bakterienart, bekannt als antibiotikaresistenter Krankenhauskeim (MRSA).

 

Bis vor kurzem ging man davon aus, dass die Schädigungsmechanismen der Staphylokokken darauf beruhen, dass ihre bakteriellen Enzyme den Wirt direkt schädigen. Nach diesem Verständnis sind diese Bakterien zwar anpassungsfähige, sich schnell vermehrende Mikroorganismen, aber lediglich zu einer „passiven“ Schädigung fähig. Durch intensive Forschungen über diesen Infektionserreger hat sich dieses Bild in jüngster Zeit grundlegend gewandelt. So befasst sich die Arbeitsgruppe um Professor Mathias Herrmann und Privatdozent Dr. Markus Bischoff vom Institut für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene seit langem mit den krankmachenden Mechanismen von Staphylococcus aureus, insbesondere mit einem von diesem Erreger produzierten Protein, dem „Extrazellulären Adhäsivprotein“ (Eap). Die Wissenschaftler stellten fest, dass dieses Protein die Abwehrmechanismen des Wirts schwächt und sich so optimale Bedingungen verschafft: Unter anderem verhindert das Eap-Molekül das Andocken von weißen Blutabwehrzellen, sogenannten Granulozyten, an die Gefäßwand; darüber hinaus hemmt Eap das Wachstum von Gefäßzellen und die Neubildung kleinster Blutgefäße, die für die Wundheilung entscheidend sind. Kürzlich konnte die Homburger Arbeitsgruppe sogar feststellen, dass das Eap-Molekül den Staphylokokken „Zutritt“ in bestimmte Wirtszellen verschafft, beispielsweise in Hautzellen. Dadurch können sich die Bakterien intrazellulär vermehren und sind dabei wiederum vor Abwehrreaktionen des Wirts sicher.

 

In Zusammenarbeit mit einer niederländischen und einer US-amerikanischen Arbeitsgruppe konnten die Forscher der Universität des Saarlandes nun einen weiteren Wirkmechanismus von Eap nachweisen. In ihrer neuesten Publikation beschreiben sie eine spezifische Wechselwirkung zwischen dem Eap-Molekül und den sogenannten Neutrophilen Proteasen. Dabei handelt es sich um eiweißspaltende Enzyme, die von den Granulozyten produziert werden und eine entscheidende Rolle bei der Immunabwehr spielen: Sie können Bakterien direkt abtöten, aber auch krankmachende bakterielle Faktoren inaktivieren oder die Immunantwort durch eine Zerstörung von Signal-Proteinen beeinflussen.

 

Wie die Forscher nun zeigten, verlieren die Proteasen durch die Wechselwirkung mit dem Eap allerdings ihre Fähigkeit, Eiweiße zu spalten – und damit ihre Funktion in der Immunabwehr. „Wir konnten Eap-Moleküle nun erstmals als neue Klasse von Protease-Inhibitoren beschreiben, die für die ‚intelligente‘ Hemmung der Wirtsabwehr verantwortlich sind“, erläutert Herrmann. Gleichzeitig eröffne dieser Nachweis neue therapeutische Möglichkeiten bei anderen immunologischen Prozessen im Körper: „Eap-Moleküle stellen eine mögliche neue Klasse von Substanzen zur Therapie überschießender Immunreaktionen dar“, so Herrmann. Solche Substanzen könnten beispielsweise bei chronisch immunologischen Erkrankungen und Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises angewendet werden.

 

Die Forschungsarbeiten am Institut für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene werden durch Mittel der Deutschen Forschungsgemeinschaft, des Bundesministeriums für Bildung und Forschung sowie weitere Drittmittelzuwendungen unterstützt. Ein Überblick über die Forschungsaktivitäten des Instituts findet sich unter www.staph.de

 

Die Publikation „Staphylococcus aureus secretes a unique class of neutrophil serine protease inhibitors“ wird im Laufe der 35. Woche in „Proceedings of The National Academy of Sciences, USA“ online gestellt (doi:10.1073/pnas.1407616111).

 

Weitere Informationen:
Prof. Dr. Mathias Herrmann,
Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene
Uniklinikum Homburg
Tel.: 06841 16-23900
E-Mail: mathias.herrmann(at)uks.eu

Privatdozent Dr. Markus Bischoff
Tel. 06841 16-23963
E-Mail: markus.bischoff(at)uks.eu

 

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