Beendigung von Gemeinschaftspraxen – BGH gesteht Vertragspartnern einen weiten Gestaltungsspielraum bei Abfindungsregelungen zu

Der Bundesgerichtshof hat einen weiteren Markstein für Abfindungsregelungen in Gemeinschaftspraxisregelungen gesetzt (14.06.2010, AZ: II ZR 135/09). Im Umkehrschluss führen unklare Regelungen zu erheblichen Prozessrisiken im Ernstfall, dem Streit um die Höhe der Abfindung.

 

 

Gemeinschaftspraxisverträge sehen für den Fall des Ausscheidens eines Gesellschafters meist Abfindungsregelungen vor, die danach differenzieren, welches Wettbewerbsverbot der ausgeschiedene Arzt einzuhalten hat und ob der Vertragsarztsitz des ausscheidenden Gesellschafters der Praxis erhalten bleibt. Weiterhin wird – insbesondere für die Dauer vereinbarter Probezeiten – die Abfindung häufig auf den Einstiegspreis beschränkt.

 

 

Verbleiben trotz einer vermeintlich umfassenden vertraglichen Regelungen Auslegungsspielräume, ist nach der zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshof bei der Entscheidung über Art und Umfang eines Wettbewerbsverbots sowie die damit verbundene Abfindung nicht auf den Normalfall einer vergleichbaren Fallkonstellation abzustellen, sondern die im Gesellschaftsvertrag niedergelegte Systematik sowie die sich hieraus ergebenden Anhaltspunkte dafür, welche abweichende Form der Auseinandersetzung die Parteien vereinbart hätten, zu berücksichtigen.

 

 

Nach der Entscheidung des BGH kann aus der Vereinbarung, dass bei erneuter Niederlassung im Planungsbereich ein zeitlich und räumlich begrenztes Wettbewerbsverbot einzuhalten ist, nicht automatisch geschlossen werden, dass eine Patientenmitnahme ausgeschlossen ist. Bei geringer räumlicher Begrenzung des Wettbewerbsverbots ist eine gewisse Patientenmitnahme unausweichlich und führt daher nicht zwingend zum Ausschluss des Abfindungsanspruches oder dessen Reduzierung im Verhältnis der tatsächlich mitgenommenen Patientenzahlen zur Anzahl der Patienten in der Gemeinschaftspraxis. Allein die Tatsache, dass bei erneuter Niederlassung gewisse Patienten abwandern, führt daher nicht generell zu einer Reduzierung der Abfindung. Es kann gegen den Abfindungsanspruch daher nicht generell eingewendet werden, dass vom ausgeschiedenen Arzt ein Teil seiner Patienten weiter versorgt wird.

 

 

Allerdings stellt dies keinen Freibrief für das bewusste und zielstrebige Abwerben von Patienten einer Gemeinschaftspraxis durch den ausscheidenden Arzt dar. Ein solche Abwerben stellt auch dann, wenn im Gesellschaftsvertrag hierzu nichts explizit geregelt ist, einen groben Verstoß gegen die Wettbewerbsklausel im Sinne eines zeitlich und räumlich beschränkten Niederlassungsverbots dar und löst Schadensersatzansprüche der verbleiben den Gemeinschaftspraxispartner aus, die der Abfindung entgegengesetzt werden können.

 

 

Fazit: Lücken in Abfindungsklauseln lassen sich nicht automatisch durch den Rückgriff auf vergleichbare Fallkonstellationen füllen, entscheidend ist vielmehr, welche Anhaltspunkte die vertragliche Systematik sowie die Absicht der Vertragspartner bei Vertragsschluss für die Auslegung bieten. Um so wichtiger ist es, beim Abschluss von Gesellschaftsverträgen die unterschiedlichen Auseinandersetzungsszenarien und ihre Folgen durchzuspielen und möglichst detailliert zu regeln.

 

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