Deutscher Wundpreis geht 2014 erstmals nach Essen
Im Rahmen des Deutschen Wundkongresses in Bremen hat eine Fachjury im Mai 2014 zum fünften Mal den von der Initiative Chronische Wunden (ICW) e.V. gestifteten Deutschen Wundpreis vergeben. Den ersten Platz belegte die Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Joachim Dissemond aus der Hautklinik am Universitätsklinikum Essen (UK Essen). Ausgezeichnet wurde eine wissenschaftliche Studie, im Rahmen derer die bakterielle Besiedlung chronischer Wunden am Beispiel des „offenen Beins“ über einen Zeitraum von 10 Jahren untersucht wurde. Der Deutsche Wundkongress ist der größte Fachkongress für Wunden in Europa.
Das chronische Ulcus cruris ist im Volksmund besser als „offenes Bein“ bekannt. Die Behandlung dieser Wunde, die am Unterschenkel zu finden ist und auch nach längerer Zeit oft nicht heilt, bildet einen Schwerpunkt der zertifizierten Wundambulanz der Hautklinik am UK Essen. „Da die Patienten mit den Wunden im Alltag leben und diese je nach Schweregrad der Erkrankung auch selber versorgen müssen, besiedeln Bakterien früher oder später praktisch alle chronischen Wunden“, erläutert Prof. Dr. Joachim Dissemond. Hierbei unterscheidet man verschiedene Stufen des Befalls, angefangen bei der einfachen Besiedelung, welche in der Regel durch eine Wundspüllösung behandelt werden kann, über die Kolonisation bis hin zu systemischen Infektionen. Je nach Schweregrad muss die Wunde auch mit antiseptischen Spülungen und schließlich mit Antibiotika behandelt werden.
Im Rahmen der mit dem Wundpreis ausgezeichneten Studie, die die Klinik für Dermatologie am UK Essen gemeinsam mit dem Institut für Mikrobiologie durchgeführt hat, untersuchten die Ärzte und Forscher, ob und wie das Spektrum der in den Wunden auftretenden Bakterien sich in den letzten zehn Jahren verändert hat. Übergreifendes Ziel der Studie unter dem Titel „Bakterienspektrum des chronischen Ulcus cruris: Resultate einer spezialisierten Wundambulanz im 10-Jahres Vergleich“ war es, herauszufinden, welche Bakterien heute bei chronisch offenen Beinen besonderer Beachtung bedürfen.
Zunächst erfolgte eine bakteriologische Untersuchung von 100 Patienten mit chronischem Ulcus cruris. In einem nächsten Schritt wurden diese Ergebnisse mit Resultaten verglichen, die vor fünf bzw. zehn Jahren in der gleichen Wundambulanz genommen worden sind. Prof. Dr. Joachim Dissemond: „Positiv fällt auf, dass der Anteil von MRSA-Befällen dieser chronisch offenen Wunden in den vergangenen Jahren signifikant zurückgegangen ist. Dafür spielen heute sogenannte gram negative Bakterien eine zunehmende Rolle.“ Hier handelt es sich oft um Feuchtkeime, die beispielsweise durch die häusliche Wundsäuberung mit Leitungswasser in die Wunden gelangen können – Maßnahmen, die von Patienten oft auch deswegen durchgeführt werden, weil sterile Wundspüllösungen von den Krankenkassen nicht immer erstattet werden und damit einen größeren Kostenfaktor darstellen können.
Die Essener Wissenschaftler empfehlen, diese Tendenz zukünftig weiter zu beobachten und bei der Auswahl der therapeutischen Konsequenzen zu berücksichtigen.
Autoren: FinjaJockenhöfer, Dr. Valérie Chapot, Dr. Maren Stoffels-Weindorf, PD Dr. Andreas Körber, PD Dr. Joachim Klode, Prof. Dr. Jan Buer, Prof. Dr. Joachim Dissemond.
Die Ergebnisse im Einzelnen: Insgesamt wurden die mikrobiologischen Abstriche von 100 Patienten (61 weiblich; 39 männlich) mit chronischem Ulcus cruris unterschiedlicher Genese, einem Lebensalter zwischen 32 – 95 Jahren (durchschnittlich 68,5) aus der spezialisierten Wundambulanz der dermatologischen Abteilung der Universitätsklinik Essen ausgewertet. Der am häufigsten gefundene Erreger ist und war Staphylococcusaureus mit einer aktuell geringeren Nachweisrate von 53 % im Vergleich zu 70 % vor 10 Jahren und 59 % vor 5 Jahren, gefolgt von Pseudomonasaeruginosa, der einen Auf- und Abwärtstrend (24 % 2002/2003; 34 % 2007/2008) mit derzeit 25 % zeigte. Zusammengefasst wurden bei 49 % der Patienten diverser Entero- und Faecalbakterien gefunden, die somit auf einen aktuell höher werdenden Anteil gram negativer Bakterien hinweisen. Hier waren 2002/2003 58 Isolate gram positiv, 49 gram negativ; 2012/2012 80 gram positiv vs. 62 gram negativ. Der Anteil von Methicillin-resistentem Staphylococcusaureus (MRSA) sank signifikant um 12,5 % auf derzeit 9 %.
Schlussfolgerungen: Auch wenn Staphylococcusaureus bei Patienten mit chronischem Ulcus cruris noch das am häufigsten nachgewiesene Bakterium ist, fällt auf, dass die gram negativen Bakterien in den letzten 10 Jahren zunehmend häufiger auftreten.